Vorübergehend tot
dann: auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“ Doch statt mich nun gehen zu lassen, trat Sam hinter dem Schreibtisch hervor, stellte sich neben mich und schnupperte an mir. Dazu beugte er sein Gesicht ganz dicht an meinen Hals und holte tief Luft. Dann schloß er kurz seine strahlend hellen, blauen Augen, als wolle er meinen Geruch einordnen, und dann atmete er sanft wieder aus, und sein Atem strich heiß über meine nackte Haut.
Ich verließ Büro und Lokal. Sams Verhalten stimmte mich nachdenklich. Ich war verwundert, aber auch interessiert.
Als ich heimkam, parkte vor unserem Haus ein Auto, das ich nicht kannte. Ein schwarzer Cadillac, schimmernd wie poliertes Glas. Bills Wagen - woher die nur das Geld hatten, sich solche Autos zu kaufen? Kopfschüttelnd stieg ich die Stufen zu unserer Veranda empor und betrat das Haus. Bei meinem Eintreten wandte Bill erwartungsvoll den Kopf zur Tür. Er saß auf dem Sofa und hatte sich mit meiner Oma unterhalten, die ihrerseits auf der Armlehne eines überpolsterten Lehnsessels hockte.
Bei Bills Reaktion auf meinen Anblick war ich ziemlich sicher, daß ich es übertrieben hatte und er sauer auf mich war. Sein Gesicht wurde ganz still, und aus seinen Augen schossen Blitze. Seine Finger verkrampften sich, als knülle er irgend etwas zusammen.
„Geht das so?“ fragte ich nervös und spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoß.
„Ja“, befand Bill schließlich, aber da hatte er bereits so lange geschwiegen, daß nun auch meine Großmutter zornig geworden war.
„Jeder, der auch nur einen Funken Verstand im Kopf hat, wird zugeben müssen, daß Sookie das hübscheste Mädchen in der ganzen Gegend ist“, verkündete sie mit einer Stimme, die zwar freundlich, aber auch aus Stahl geschmiedet war.
„Oh ja“, stimmte er ihr in einem merkwürdig ausdruckslosen Ton zu.
Sollte er sich doch zum Teufel scheren! Ich hatte mein Bestes getan! Also richtete ich mich kerzengerade auf und fragte: „Gehen wir?“
„Oh ja“, wiederholte Bill und stand auf. „Wiedersehen, Mrs. Stackhouse. Es war mir ein Vergnügen.“
„Amüsiert euch gut“, erwiderte Oma bereits wieder ein wenig versöhnt. „Fahren Sie vorsichtig und trinken Sie nicht zu viel.“
Er hob eine Braue. „Gewiß nicht, gnädige Frau!“
Oma ließ das unkommentiert im Raum stehen.
Bill hielt mir die Wagentür auf, während ich einstieg, was ein sorgfältig durchdachtes Manöver war, mit dem er sicherstellen wollte, daß so viel von mir wie irgend möglich in meinem Kleid verblieb. Als ich eingestiegen war, schloß er die Beifahrertür und ging hinüber zur Fahrerseite Ich fragte mich erbost, wer ihm das Autofahren beigebracht haben mochte. Höchstwahrscheinlich Henry Ford.
„Es tut mir Leid, wenn ich nicht korrekt gekleidet sein sollte“, sagte ich und starrte stur geradeaus.
Wir befanden uns noch auf der holprigen Auffahrt und waren recht langsam gefahren. Nun kam der Wagen mit einem Ruck zum Stehen.
„Wer hat denn das behauptet?“ fragte Bill, und seine Stimme klang ungeheuer sanft.
„Du hast mich angesehen, als hätte ich irgend etwas falsch gemacht“, fuhr ich ihn an.
„Ich habe mich lediglich gefragt, ob ich es wohl schaffen werde, in diese Nachtbar und auch wieder heraus zu kommen, ohne jemanden umbringen zu müssen, weil er dich haben will, und ich habe ganz stark daran gezweifelt, daß mir das gelingen wird.“
„Nun machst du dich lustig über mich!“ Ich wollte ihn immer noch nicht ansehen.
Da packte er mich im Nacken und zwang mich, mich zu ihm umzudrehen.
„Sehe ich denn so aus, als wollte ich dich verspotten?“ fragte er.
Seine dunklen Augen waren weit geöffnet und blickten mich unverwandt an.
„Nein - irgendwie nicht“, mußte ich zugeben.
„Dann nimm das hin, was ich dir sage!“
Die Fahrt nach Shreveport verlief zum großen Teil schweigend, aber es war kein ungemütliches Schweigen. Fast die ganze Fahrt über ließ Bill Kassetten laufen. Er schien eine Vorliebe für die Musik von Kenny G. zu haben.
* * *
Fangtasia, die Nachtbar für Vampire, befand sich in einer vorstädtischen Einkaufsgegend von Shreveport, in der Nähe eines Discountladens für Markenartikel und eines riesigen Spielzeuggeschäftes. Die Bar lag inmitten von Läden, die um diese Zeit alle bereits geschlossen hatten. Ihr Name prangte in grellen roten Neonbuchstaben über dem Eingang, einer roten Tür inmitten einer grauen Fassade. Wer immer der Besitzer der Bar sein mochte: Offenbar hatte er oder
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