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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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für alle sichtbar ein Kasten mit frisch und warm in Flaschen abgefülltem Blut - das erste Mal, daß ich so etwas auf dem Tresen eines Lokals sah. Natürlich bat Bill den Barmann um eine dieser Flaschen. Ich schnappte leicht nach Luft und bestellte mir dann tapfer einen Gin Tonic. Der Barmann warf mir ein breites Lächeln zu und signalisierte mit leicht ausgefahrenen Fangzähnen, welches Vergnügen es ihm bereitete, mich zu bedienen. Ich versuchte, zurückzulächeln und gleichzeitig bescheiden zu wirken. Der Vampir hinter dem Tresen war Indianer, mit langem, pechschwarzem Haar. Er wirkte muskulös und biegsam, mit einer scharfgeschnittenen Nase und einem Mund, der aus einem einzigen Strich zu bestehen schien.
    „Wie geht's, Bill?“ fragte er meinen Begleiter. „Dich habe ich lange nicht gesehen. Ist das dein Abendbrot?“ Mit diesen Worten stellte er unsere Getränke vor uns auf den Tresen und wies mit einem Kopfnicken auf mich.
    „Das ist eine Freundin von mir, Sookie. Sie würde gern ein paar Fragen stellen.“
    „Fragen Sie, fragen Sie, soviel Sie möchten, schöne Frau!“ entgegnete der Barmann und lächelte erneut. Mir gefiel er allerdings besser, wenn er die Lippen zu einer geraden Linie geschlossen hielt.
    „Haben Sie eine der beiden Frauen hier schon einmal gesehen?“ fragte ich und zog Zeitungsbilder Dawns und Maudettes aus meiner Handtasche. „Oder diesen Mann?“ Damit zog ich ein Foto meines Bruders aus der Tasche, und mich durchzuckte dabei eine üble Vorahnung.
    „Die Frauen ja, den Mann nicht, aber er sieht ganz köstlich aus!“ sagte der Tresenwirt und lächelte mich schon wieder an. „Ist das vielleicht Ihr Bruder?“ „Ja.“
    „Wunderbare Aussichten!“ flüsterte der Indianer.
    Zum Glück war ich geübt darin, mir nichts anmerken zu lassen. „Können Sie sich noch erinnern, mit wem die Frauen zusammen waren?“
    „Daran kann ich mich nie erinnern“, erwiderte der Vampir, und seine Miene wirkte mit einem Mal sehr verschlossen. „So etwas bekommt man hier nicht mit. Das gilt im übrigen auch für Sie!“
    „Vielen Dank“, erwiderte ich höflich. Da hatte ich wohl gegen eine der hiesigen Regeln verstoßen. Anscheinend war es gefährlich zu fragen wer mit wem die Bar verlassen hatte. „Ich danke Ihnen, daß Sie sich die Zeit genommen haben, mit mir zu reden.“
    Der Barmann warf mir einen nachdenklichen Blick zu. „Die da“, sagte er dann und klopfte mit dem Finger auf das Bild Dawns, „die wollte sterben.“
    „Woher wissen Sie das?“
    „Alle, die herkommen, sehnen sich nach dem Tod; manche mehr, manche weniger“, sagte er, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, und ich spürte, daß es für ihn daran nichts zu rütteln gab. „Das sind wir nun mal. Der Tod.“
    Mir wurde kalt. Bill hatte seine Hand auf meinen Arm gelegt und zog mich zu einer Nische, die gerade frei geworden war. Auf dem Weg dorthin kamen wir an ein paar Warnhinweisen vorbei, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden hingen und die Worte des Indianers noch zu unterstreichen schienen. „In unseren Räumen ist Beißen untersagt.“ „Unnötiges Herumlungern auf dem Parkplatz ist verboten.“„Erledigen Sie Privatangelegenheiten bitte woanders.“ „Wir freuen uns über Ihren Besuch. Betreten auf eigene Gefahr.“
    Geschickt klemmte Bill einen Fingernagel unter den Deckel seiner Flasche, öffnete sie mit einer raschen Bewegung und trank einen Schluck Blut. Ich versuchte, ihm nicht dabei zuzusehen, was aber mißlang. Natürlich entging Bill das nicht, weshalb er auch meine Reaktion auf seinen Blutkonsum mitbekam. Er schüttelte den Kopf.
    „Das ist die Realität, Sookie“, sagte er. „Ich brauche es, um weiter zu existieren.“
    Rote Flecken zierten seine Zähne.
    „Aber natürlich“, sagte ich und versuchte, den beiläufigen Tonfall des Barmanns zu treffen. Dann holte ich tief Luft. „Glaubst du, auch ich sehne mich nach dem Tod? Weil ich mit dir hergekommen bin?“
    „Ich glaube eher, du willst etwas über den Tod anderer Menschen herausfinden“, erwiderte Bill, doch ich konnte nicht sicher sein, daß er das auch wirklich so meinte.
    Mir schien, als hätte Bill noch gar nicht mitbekommen, in welch prekärer persönlicher Lage er sich gerade befand. Ich nippte an meinem Gin und spürte, wie sich die Wärme des Alkohols in mir ausbreitete.
    Dann näherte sich ein weiblicher Fangbanger unserer Nische. Ich saß halb verdeckt hinter Bill, aber sicher hatte die Frau uns zusammen

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