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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Versammlung der Nachkommen all diese faszinierenden Geschichten zu erzählen.“ Ich fragte mich, welche Geschichten über die 'schlimmen Dinge, die diesen Frauen angetan wurden' wohl im Umlauf waren, und schauderte beim bloßen Gedanken daran. „Aber Bill hatte wohl ein paar Besucher“, fuhr Maxine fort, „über deren Anblick niemand so recht begeistert war.“
    Ich fragte mich, ob damit Malcolm, Liam und Diane gemeint sein konnten. Deren Anblick hatte auch mich nicht gerade erfreut, und ich widerstand dem spontanen Impuls, die drei zu verteidigen.
    „Es gibt so viele unterschiedliche Vampire, wie es unterschiedliche Menschen gibt“, sagte ich statt dessen.
    „Genau das habe ich auch zu Andy Bellefleur gesagt,“ meinte Maxine und nickte bedeutungsvoll. „Hinter ein paar der anderen solltest du her sein, habe ich zu Andy Bellefleur gesagt, hinter denen, die sich keine Mühe geben, so zu sein wie wir. Nicht hinter Bill Compton, habe ich gesagt, der sich wirklich bemüht, der gerne seßhaft werden möchte, der Teil dieser Gemeinde sein will. Ich habe Bill im Beerdigungsinstitut getroffen, und er hat mir erzählt, daß er nun endlich seine Küche fertig renoviert hat.“
    Ich konnte sie nur sprachlos anstarren. Ich versuchte, mir vorzustellen, was Bill in seiner Küche wohl tat. Wozu brauchte er überhaupt eine?
    Aber keins dieser Ablenkungsmanöver funktionierte, und letztlich mußte ich mir eingestehen, daß ich wohl noch eine Zeitlang bei jeder Gelegenheit losheulen würde. Was ich dann prompt auch tat.
    Bei der Beerdigung stand Jason neben mir, hatte seinen Zorn auf mich bewältigt und schien wieder bei Sinnen. Er faßte mich nicht an und sprach kein Wort mit mir, aber er schlug mich auch nicht. Ich fühlte mich allein. Aber dann blickte ich über die Hügellandschaft um mich herum und erkannte, daß die ganze Stadt mit mir trauerte. So weit das Auge reichte, parkten dicht an dicht Autos auf den kleinen Straßen, die über den Friedhof führten, und hunderte schwarzgekleideter Menschen drängten sich um das Zelt, das das Beerdigungsinstitut errichtet hatte. Sam war da. Er trug einen Anzug und sah gar nicht wie er selbst aus. Arlene, die neben Rene stand, trug ein geblümtes Sommerkleid. Ganz am Rand der trauernden Menge stand Lafayette neben Terry und Charlsie Tooten. Das hieß, sie hatten das Lokal geschlossen! Alle Freunde meiner Oma waren gekommen - das heißt alle, die noch laufen konnten. Mr. Norris weinte ganz offen und hielt sich ein blütenweißes Taschentuch vor die Augen. Tiefe Trauerfalten durchfurchten Maxines breites Gesicht. Während der Pastor sagte, was er zu sagen hatte, während Jason und ich vorne in der Reihe für die Familie ganz allein auf wackligen Klappstühlen saßen, spürte ich, wie sich etwas von mir löste und hinauf ins helle Blau flog. Da wußte ich: Was immer meiner Großmutter widerfahren sein mochte, nun war sie zu Hause.
    Gott sei Dank liegt über dem Rest des Tages Nebel. Ich will mich nicht an diesen Tag erinnern, ich will noch nicht einmal wissen, was alles an diesem Tag geschah. Aber eine Episode ragt aus dem Nebel heraus.
    Jason und ich standen neben dem Eßtisch im Haus meiner Großmutter, und zwischen uns schien ein zeitweiliger Waffenstillstand zu herrschen. Wir begrüßten die Trauergäste, von denen die meisten sich größte Mühe gaben, den blauen Fleck an meiner Wange nicht anzustarren.
    Wir kriegten das Ganze ziemlich gut hin. Jason dachte daran, daß er bald heimgehen und sich ein Schlückchen genehmigen würde und daß er mich dann ein Weilchen nicht würde sehen müssen, wonach alles schon wieder gut werden würde. Ich dachte fast dasselbe - bis auf das mit dem Schlückchen.
    Dann gesellte sich eine dieser wohlmeinenden Frauen zu uns, die so gerne jedes einzelne Detail einer bestimmten Situation laut durchdenken, auch wenn es sie eigentlich alles nichts angeht.
    „Ach es tut mir so leid für euch, Kinder!“ verkündete sie, und mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, wie die Frau hieß. Sie war Methodistin. Sie hatte drei erwachsene Kinder. Ihr Name jedoch war gerade zur anderen Seite meines Hirns entfleucht.
    „Was für ein trauriger Anblick, ihr zwei, so ganz allein da am Grab. Wie mußte ich da an euren Vater und eure Mutter denken!“ versicherte die Namenlose, und ihr Gesicht verzog sich ganz automatisch zu einer mitleidigen Miene. Ich blickte erst Jason, dann wieder die Frau an und nickte.
    „Ja“, sagte ich höflich, aber dann hörte ich

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