Vorübergehend tot
Kindes, viel zu mädchenhaft. Erinnerungsstücke an eine Zeit der Barbiepuppen und der Freundinnen, die zum Übernachten zu Besuch kamen.
Nicht, daß bei mir oft Freundinnen übernachtet hätten oder umgekehrt ich bei Freundinnen.
Aber nein, nein und nochmals nein! In dieses Loch wollte ich jetzt nicht fallen. Ich war ich und hatte durchaus auch ein Leben, hatte Dinge, die mich erfreuten, kleine Belohnungen, die ich mir ausdachte, um mich bei der Stange zu halten.
„Vielleicht ziehe ich ja hier in dieses Zimmer“, sagte ich zu Arlene, die gerade einen letzten Pappkarton mit Klebeband verschloß.
„Meinst du nicht, das ist ein wenig früh“, fragte sie besorgt und wurde dann knallrot, als ihr klar wurde, daß sich das so angehört hatte, als wolle sie mich kritisieren.
„Ich glaube, es wäre einfacher für mich, als auf der anderen Flurseite zu liegen und daran zu denken, daß dieses Zimmer jetzt leer ist“, erwiderte ich. Arlene kniete neben ihrem Pappkarton, den Klebebandabroller noch in der Hand, und dachte über meine Antwort nach.
„Doch, das kann ich verstehen“, sagte sie dann, und ihre flammend roten Haare wippten, als sie mir zustimmend zunickte.
Als nächstes luden wir die gepackten Kartons alle in Arlenes Wagen. Sie hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, sie auf ihrem Nachhauseweg bei der Sammelstelle des Roten Kreuzes vorbeizubringen, und ich hatte ihr Angebot dankbar angenommen. Ich wollte nicht, daß mir irgendwer wissende und mitleidige Blicke zuwarf, während ich die Kleider meiner Großmutter, ihre Schuhe und Nachthemden weg gab.
Als Arlene fertig war und gehen wollte, umarmte ich sie kurz und drückte ihr einen Kuß auf die Wange. Sie starrte mich verwundert an - dieser Kuß lag jenseits der Grenzen, in denen sich unsere Freundschaft bisher bewegt hatte. Dann beugte sie ihren Kopf, und wir stießen sanft mit den Stirnen aneinander.
„Verrücktes Huhn“, murmelte meine Freundin liebevoll. „Komm uns besuchen, hörst du? Liza möchte, daß du ganz bald mal wieder bei uns babysittest.“
„Grüß Liza von Tante Sookie, und Coby auch.“
„Wird gemacht.“ Mit diesen Worten stolzierte Arlene zu ihrem Wagen, ihre flammenden Haare ein Feuermeer, ihr üppiger Körper in der engen Kellnerinnentracht ein einziges riesiges Versprechen.
Als Arlenes Wagen langsam und vorsichtig die holprige Auffahrt hinabfuhr und zwischen den Bäumen verschwand, fühlte ich mich ausgelaugt. Ich kam mir vor, als sei ich ungefähr eine Million Jahre alt, allein und einsam. So würde ich also von nun an leben.
Ich verspürte keinen Hunger, aber die Uhr teilte mir mit, es sei Zeit zum Essen. Also ging ich in die Küche und holte mir einen der zahlreichen Plastikbehälter aus dem Kühlschrank. Er enthielt einen Salat aus Trauben und Truthahn, der mir gut schmeckte, aber trotzdem saß ich da am Küchentisch und stocherte einfach nur mit der Gabel darin herum. Das gab ich bald wieder auf. Ich trug den Behälter zum Kühlschrank zurück und ging ins Bad, um zu duschen, denn das hatte ich dringend nötig. Schrankecken sind immer schrecklich staubig, und selbst eine so großartige Hausfrau wie meine Oma hatte es nicht geschafft, diesem Staub eine Niederlage zuzufügen.
Die Dusche war wunderbar. Das heiße Wasser schien all mein Elend fortzuspülen. Ich schamponierte mir die Haare ein und schrubbte jeden einzelnen Zentimeter Haut; ich rasierte mir die Beine und die Achselhöhlen. Dann trocknete ich mich ab, zupfte meine Augenbrauen, cremte mich von oben bis unten ein, sprühte Deodorant unter die Arme und massierte eine Haarspülung ins Haar, um es später besser auskämmen zu können, sprühte und cremte überhaupt mit allem, was mir in die Finger geriet. Das Haar floß mir wie ein wirrer, wüster Wasserfall über den Rücken. Ich zog mir mein Nachthemd an, das mit Polly Pinguin, und nahm meinen Kamm mit, als ich das Bad verließ. Ich wollte mich vor den Fernseher hocken, um mich ein wenig unterhalten zu lassen, während ich mir die Haare auskämmte - jedesmal ein mühsames Unterfangen.
Da zerbarst meine kleine geschäftige Wolke auch schon wieder, und ich fühlte mich wie betäubt.
Langsam schlurfte ich durch das Wohnzimmer, in der einen Hand meinen Kamm, in der anderen mein Badehandtuch, als es an der Tür klingelte.
Ich warf einen Blick durch den Türspion. Draußen auf der Veranda wartete geduldig Bill.
Ich öffnete die Tür, wobei mich sein Anblick weder freute noch tröstete.
Bill musterte mich
Weitere Kostenlose Bücher