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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Weidenholz war bis auf ein paar glühende Reste im Feuerloch heruntergebrannt. Singender Wolf beugte sich vor. Die Männer, die seit langer Zeit die Geschicke des Volkes beeinflußten, flößten ihm Ehrfurcht ein. Neben ihm saß Der der schreit. Sein freundliches Gesicht wirkte ungewöhnlich ernst.
    Büffelrücken strahlte die Aura von Alter und Macht aus. Sein weißes Haar hatte er zu zwei langen Zöpfen geflochten. Er hörte zu und nickte nur gelegentlich. Seine einstmals scharfen Augen hatten im Laufe der Jahre nachgelassen und leuchteten nun in sanftem Braun. Sein verwittertes, von tausend Falten gefurchtes Gesicht zeigte keine Regung.
    Vier Zähne mahlte geistesabwesend mit den Kiefern und saugte mit der Zunge lautstark an den Stellen, wo sich früher seine Bakkenzähne befunden hatten. Dicke Tränensäcke hingen unter den alten Augen, und Altersflecken sprenkelten sein breites Gesicht. Seine patriarchischen Züge wurden durch tiefe, sich eingrabende Furchen unterstrichen. Mit seinen kurzen braunen Fingern zupfte er Pelzhaare aus seinem abgeschabten Mantel.
    »Ihr glaubt es nicht, solange ihr es nicht mit eigenen Augen gesehen habt. Büffel, Mammuts, Karibus.
    Die Tundra ist anders als hier, und die Tiere haben so gut wie keine Angst.«
    Büffelrücken schüttelte den Kopf. »Scheint mir unmöglich.«
    »Aber es ist so«, beharrte Singender Wolf und unterstrich seine Worte mit wilden Handbewegungen.
    »Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es auch nicht glauben. Aber es ist wahr.«
    »Na, ich weiß nicht.« Vier Zähne schüttelte ebenfalls den Kopf. »Unter dem Eis durchgehen?
    Hinunter in diese Dunkelheit? Was ist, wenn etwas passiert? Ha? Was dann? Unsere Seelen …«
    »Und wieviel Wild gibt es dort?« fragte Büffelrücken herausfordernd. »Woher wissen wir, wie lange es reicht? Wenn es kein Wild mehr gibt, was dann? Wieder hierher zurück? Wieder unter dem Eis durch?«
    »Wolfsträumer weiß es.« Der der schreit kreuzte die Arme vor der Brust.
    »So hörten wir.« Vier Zähne grunzte. »Und wo ist er? Ha? Er kreuzt auf und verschwindet wieder unter der Erde. Ihr wißt, was das Volk über Höhlen im Fels und Löcher im Eis denkt? Seelen sollten sich nicht unter den Boden begeben.«
    Müde starrte Singender Wolf in das Feuer. Er erinnerte sich an Reihers Höhle. Seine Gedanken konzentrierten sich auf die vom Feuerschein beleuchteten Schädel. Unwillkürlich überlief ihn ein Frösteln. »Ich weiß nicht, was er gerade macht. Vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Träume, wirkliche Träume, machen einen Menschen sonderbar.«
    »Ist er wirklich ein Träumer?« Der Zweifel in Vier Zahnes Stimme war nicht zu überhören.
    Der der schreit nickte betont langsam. »Reiher sagte zu Gebrochener Zweig, er sei mächtiger, als sie es je war.«
    »Warten wir ab, bis Krähenrufer eintrifft. Dann sehen wir weiter.« Vier Zähne verdrehte die Augen und wiegte den Kopf. Im Feuerschein warf seine Hakennase einen merkwürdigen Schatten auf seine Wange. »Krähenrufer, ja, das ist ein Mann mit magischen Kräften.«
    Singender Wolf senkte den Blick. Es fiel ihm schwer, einen Älteren zu kränken. »Ich möchte nicht respektlos sein, Großvater, aber viele, die Krähenrufer folgten, sind verhungert. Gebrochener Zweig sagt, seine Träume seien falsch.«
    »Sie ist alt.«
    »Sie hat Träumer gesehen«, widersprach Singender Wolf freundlich. Et wußte, er befand sich am kritischen Punkt der Unterhaltung. Wenn er die Würde der Alten beleidigte, würden die Clans niemals durch das Loch im Eis gehen. »Sie sah den Traum in Wolfsträumers Augen.«
    Vier Zähne blickte ihn finster an. Dieser Widerspruch paßte ihm offensichtlich gar nicht. »Du glaubst, du weißt mehr als ich? Ha? Ich bin doppelt so alt wie du.«
    Singender Wolf biß sich auf die Zunge und rang um Selbstbeherrschung. Endlich hatte er seine Gelassenheit wiedergefunden: »Nein, Großvater. Ich wollte…«
    »Krähenrufer wird uns die Wahrheit über diesen jungen Der im Licht läuft sagen«, beharrte Vier Zähne stur.
    Singender Wolf legte de«^ Kopf in den Nacken. Sorgfältig wägte er seine nächsten Worte ab. »ich zweifle nicht an der Lauterkeit eures Glaubens, Großvater. Aber wir sahen die beiden, als sie sich gegenüberstanden. Wir beobachteten sie beim Beweis ihrer magischen Kräfte. Der der schreit war dabei. Ich war dabei. Andere können unsere Worte bezeugen. Ich spreche aus ehrlichem Herzen.
    Krähenrufer verfluchte Wolfsträumer.

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