Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
zurück zu deinen Kühen. Wie viele hast du denn?
Drei? Und zwei Kälber, um die du dich auch noch kümmern mußt? Sieh dich vor, mein Alter. Die Lange Helligkeit läßt nicht mehr lange auf sich warten. Dann kommen die Jungen und versuchen, dir deinen Platz streitig zu machen. Sie wollen die alten Damen für sich haben, eh?«
Bei ihren Worten drehte es sich um und sah sie grunzend an. »Ach, mach dich nicht wichtig.« Lässig winkte sie ab. »Du willst dich doch wohl nicht mit einer alten Frau anlegen, oder? Das ist unter deiner Würde.«
Grüßend hob es den Rüssel, das Maul arbeitete emsig und geräuschvoll. Plötzlich drehte es sich um und trabte davon. Wie ein lebendiger Berg aus Haaren und Fleisch verschwand es im Sturm.
Die hoch aufragende, dunkle Masse verschmolz mit dem vom Teich aufsteigenden Dunst.
Schwarz schnüffelte mit zitternder Schnauze hinter dem riesigen Tier her.
Das Karibu sah sich argwöhnisch um. Reiher wartete, bis es seinen Durst gestillt hatte und hochmütig die feuchte schwarze Nase in die Luft streckte. Dann lief das Tier davon und verschwand in aufspritzenden Wasserkaskaden.
Nun machte sich Reiher auf den Weg zum Teich. Bis zu den Hüften watete sie hinein. Mit einer eleganten Bewegung tauchte sie unter und genoß die liebkosende Berührung des Wassers. Im warmen Wasser wurden ihre Glieder rasch geschmeidig. Sie durchschwamm den Teich, prustete und spuckte das schwefelhaltige Wasser aus. Am anderen Ufer stand sie auf.
Ah, die Hitze hatte gutgetan. Sie wrang die langen Haare aus und rieb sie, so gut es ging, mit den Händen trocken. Ein wohliger Seufzer entrang sich ihrer Brust. Übermütig planschte sie im Wasser.
Eine kalte Brise strich über die Wasseroberfläche und riß die Nebelschleier auf. Eiskristalle bildeten sich in ihrem Haar.
Ängstlich überwachte Schwarz vom Ufer aus jede ihrer Bewegungen. Er war ihr über die Felsen am Ufer entlang gefolgt.
Reiher ließ sich treiben, bis die Dunkelheit hereinbrach. Sie spürte die Lebendigkeit in ihre alten Gelenke zurückkehren. Es war die reinste Wonne. Einen größeren Reichtum als diesen Teich konnte sie sich nicht vorstellen. Hoch oben in den Felsen, verborgen im Nebel, schleuderte der Geysir zischend eine Fontäne hinaus. Dampfschwaden wogten hinunter zum Teich, wenn das heiße Wasser himmelwärts schoß. Die Wassertropfen erzeugten ein melodisches Stakkato auf den Felsen.
Erfrischt paddelte Reiher zurück ans Ufer. Sie schüttelte das Wasser von Armen und Beinen, hob ihre Kleider auf und machte sich auf den Rückweg zu ihrer Höhle. Ihre Füße prickelten angenehm im kalten Schnee. Schwarz folgte ihr in Begleitung von Weiß. Die beiden Hunde hielten die Nasen in den Wind und schnüffelten neugierig.
Sie schlug das Karibufell beiseite und betrat ihre Behausung. Bevor sie sich anzog, warf sie ein Birkenscheit auf die glühenden Holzkohlen und stellte sich nackt an das Feuer, um sich vollends zu trocknen. Der Junge saß ihr gegenüber und beobachtete sie unsicher. Mit seinem ovalen Gesicht, den großen Augen und vollen Lippen sah er sehr gut aus, dazu war er noch groß und breitschultrig.
Schwarz ging nervös am Eingang auf und ab und warf ihr immer wieder einen mißbilligenden Blick zu.
»Hunger?« murmelte Reiher.
Schwarz wedelte mit dem Schwanz und nieste laut. Spielerisch streckte er sich.
»Also gut, haut ab! Seht zu, was ihr findet.« Sie wedelte mit der Hand, und sofort verschwanden die beiden Hunde unter der Felltür hinaus in der Nacht.
Reiher trocknete ihr Haar am prasselnden Feuer. »Du siehst aus, als weiltest du wieder unter den Lebenden«, bemerkte sie beiläufig.
Der Junge warf den Kopf in den Nacken. »Ich schon, aber ich mache mir Sorgen um meine Leute. Als ich fortging, lebten sie noch. Aber wer weiß, wie es in den drei Höhlen aussieht, wenn ich zurückkomme.«
»Morgen, sobald es hell ist, gehen wir hin.« Sie seufzte. »Für mich bedeutet das leider Schluß mit meiner Ungestörtheit.«
Er schwieg und aß bedächtig das gepreßte Dörrfleisch mit Trockenbeeren. Die Mischung aus Beeren und Fett war genau das Richtige für seinen ausgemergelten Körper.
Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. »Du bist schöner geworden, als ich dachte.«
Verblüfft blickte er auf. »Was?«
»Laß gut sein. Ich erkläre es dir später. Zuerst sagst du mir, warum du hier bist.« Sie stieß das Holzscheit tiefer in die Glut. »Ich war sicher, der alte Krähenrufer warnte jeden davor,
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