Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
in Büffeldecken gehüllt. Fremde Gesichter blickten Windläufer aufgeregt an. Zwei Antilopen, die Schwester seiner Mutter, schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Sie hatte dem Weißlehm-Stamm angehört, bevor sie bei der Großen Versammlung Steinfaust geheiratet hatte.
Im Sonnenvolk waren Hochzeiten bei der Großen Versammlung Brauch. Einmal im Jahr wachte der Große Donnervogel über alle Menschen. In dieser Zeit wurden sämtliche Feindseligkeiten begraben, und die Stämme versammelten sich, um Handel zu treiben, zu feiern und zu tanzen. Geiseln wurden freigekauft und Hochzeiten in einen anderen Stamm vereinbart. Die Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Stämme wurden besonders gefördert, wenn es in einem Stamm wegen der Verwandtschaftsbeziehungen kaum noch in Frage kommende Ehepartner gab.
Die Heirat seiner Tante erwies sich nun als Vorteil für Windläufer. Gleich nach seinem Eintreffen im Schwarzspitzen-Lager hatte er sich unter Steinfausts Schutz gestellt. Er war unbewaffnet gekommen.
Nachdem er seinen Wunsch geäußert hatte, Angehöriger ihres Stammes zu werden, hatte sein Schwiegeronkel vor dem Rat ein gutes Wort für ihn eingelegt.
Nun mußte Windläufer seinen Wert für den Stamm unter Beweis stellen. Angespannt blickte er sich um. Die Sonne stand hoch am blaßblauen Himmel und überflutete mit ihrem strahlenden Licht die fruchtbare, grasbewachsene Ebene am Fat Beaver River. Die Pappeln standen wie schweigende Zuschauer da. Ihre grauen Stämme zeichneten ungewöhnliche Muster vor dem fernen Horizont im Westen, wo die Great Bear Mountains sich dem Himmel entgegenreckten. Auf den Gipfeln lag noch Schnee, das Land dort oben war eingeschlossen in bläulich schimmernde Kälte.
Der Wind trug den Geruch nach modrigem Gras und tauendem Schnee herbei. Er kündigte den Frühling an, war aber immer noch sehr kalt. In der Ferne krächzten Raben, Finkenschwärme flogen hinauf zum Himmel.
Sein Gegner stand ihm in einigem Abstand gegenüber. Eine Kriegskeule baumelte in seiner Faust.
Einziger Mann hatte ungefähr fünfunddreißig Sommer hinter sich, war hochgewachsen und eine stolze Erscheinung. Tätowierte Blitze zierten seine Wangen, und quer über seine muskulöse linke Brust zog sich eine häßliche Narbe. Der Krieger musterte Windläufer wie einen lästigen Schädling. Langsam und bedrohlich schwang er die mit einem Steinkopf bewehrte Kriegskeule, an deren Griff leuchtend gelbe Tangarafedern flatterten, vor und zurück.
Schwarzer Mond, der Anführer des Schwarzspitzen-Stammes, trat aus der Menge heraus. Er trug ein auffallend leuchtendes Gewand aus Büffelhaut ein Symbol der Lobpreisungen der Macht und seiner Stellung als Anführer. Ihm folgte Heißes Fett, der mächtigste Seelenflieger des Schwarzspitzen-Stammes. Seine Haare glänzten silbrig im Sonnenlicht. Er hob die Arme und sang und tanzte für den Großen Donnervogel, damit er den beiden Kämpfern Kraft und Geschicklichkeit verlieh. Er sang, um den Herzen der Gegner Mut zu machen.
Nachdem Heißes Fett geendet hatte, ließ Windläufer seine Kriegskeule zu Boden gleiten, hob die Hände und begann ebenfalls zu singen: »Großer Donnervogel im Himmel, höre mich. Ich, Windläufer, möchte mir den mir gebührenden Platz bei diesem Stamm verdienen. Ich bin dieses Stammes würdig.
In der Vergangenheit siegte ich im Kampf gegen unzählige Feinde, mein Mut wurde im Krieg besungen. Meine Geschicklichkeit habe ich bewiesen, als ich den Verfolgern, die mir nach dem Leben trachteten, entkam. Erhöre mich heute. Verleihe mir Stärke und Sieg. Dir weihe ich mein Leben. Hilf mir, ein ehrenwerter Mann des Schwarzspitzen-Stammes zu werden. Vor dir demütige ich mich, dir biete ich mein Leben.«
Er senkte die Arme und merkte, daß der Seelenflieger ihn unverwandt anstarrte. Seine Augen hinter den Lidschlitzen funkelten wie schwarzer Obsidian. Heißes Fetts Gesicht durchzogen tiefe Runzeln und Falten, das ganze Zeitalter der Erde schien darin eingemeißelt. Der alte Mann kam näher und begutachtete ihn von oben bis unten. Dann fragte er ihn: »Hältst du es nicht für töricht, dich auf den Kampf gegen Einziger Mann einzulassen?«
Windläufer schüttelte den Kopf. »Nein, Alter. Bei meiner Seele habe ich ein Versprechen gegeben. Ich nehme meine Seele und ein Versprechen, das ich einer Macht gebe, nicht auf die leichte Schulter.«
Heißes Fett legte eine Hand auf Windläufers Schulter. »Viel Glück, junger Mann. Dein Schicksal liegt in den Händen der
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