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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sich den Schweiß von der Oberlippe. Wie lange waren sie schon hier? Zwanzig Hand Zeit? Länger? In der Nacht war es wenigstens kühl gewesen. Jetzt war es erstickend heiß, das Atmen fiel schwer. Mücken summten in schwirrendem Tanz um sie herum, setzten sich auf ihre feuchten Gesichter und peinigten sie bis aufs Blut. Primel glaubte, bald verrückt zu werden.
    »Ich mache mir Sorgen«, flüsterte die alte Nisse. Ruhelos wanderte ihr Blick über das erhöhte Schlafpodest, das sich hinter Primel befand. »Sie öffnet sich nicht richtig.«
    Schwingelgras beugte sich vor und spähte zwischen Grüne Esches gespreizte Beine. Sie war die Älteste der Frauen, über sechzig Sommer alt. »Ich sehe den Kopf des Babys … aber es hat nicht genug Platz zum Herauskommen.«
    »Wartet noch«, bat die kleine Roggengras eindringlich. »Lassen wir ihr noch ein paar Hand Zeit. Noch kein Grund, in Panik zu geraten. Wenigstens kommt es nicht mit dem Steiß zuerst.« Sie nickte Primel ermutigend zu.
    Seine Kehle war wie zugeschnürt. Liebevoll strich er über Grüne Esches feuchte Stirn. Ihr ganzer Körper war schweißgebadet. »Ich liebe dich, Grüne Esche. Mach dir keine Sorgen. Das Baby ist nur halsstarrig. Es läßt sich Zeit. Aber es kommt.«
    Von einer neuen Welle von Wehen geschüttelt, bäumte sich Grüne Esche auf, trat mit aller Kraft um sich und knirschte mit den Zähnen. Zum erstenmal entfuhr ihr ein lauter Schrei. Primel nahm sie in die Arme und bedeckte ihren Kopf mit Küssen. »Versuch es weiter, Grüne Esche. Nicht aufgeben! Presse!
    Presse!«
    Als sie keuchend in seine Arme zurücksank, bettete er sie wieder behutsam auf die feuchte Decke.
    Die alte Nisse brummte: »Sprich mit ihr, Primel. Sag irgend etwas!«
    Hilflos stotterte er: »Ich - ich habe eben an Heuschrecke gedacht. Ich wüßte gern, wo sie ist und wie es ihr geht.« Grüne Esche stieß zitternd den Atem aus und schloß die Äugen. Primel streichelte beruhigend ihre Wange. »Inzwischen müßten Heuschrecke und Dachsschwanz mit den anderen Gruppen, die sie als Unterhändler zu den Dörfern im Norden geschickt haben, zusammengetroffen sein. Vielleicht haben sie nun genügend Krieger beisammen, um Petaga zu schlagen.«
    Primel hob wieder den Fächer auf und fächelte Grüne Esche Luft zu.
    »Es tut sich nichts«, murmelte Nisse und ließ sich zurücksinken. Sie war nach den vielen Stunden des Wartens völlig erschöpft und starrte wie blind auf die Schilfmatten am Boden. Wieder setzten Grüne Esches Schreie ein. Ihr mitleiderregendes Wimmern klang wie das eines Fuchses, der sich den Weg aus einer Falle zu beißen versucht. »Kleine Roggengras, lauf zu meinem Haus und hole meinen Beutel mit giftigem Astragaluskraut.«
    Roggens Gesicht wurde ernst. »Bist du sicher?«
    »Uns bleibt nichts anderes übrig. Geh schon.«
    Roggen huschte durch das Zimmer und lief zur Tür hinaus. Die Türvorhänge schwangen einen Moment hin und her, und blendende Sonnenstrahlen, die den hinter ihr aufwirbelnden Staub aufleuchten ließen, drangen herein.
    »Warum?« Primel wagte kaum zu fragen. »Wie wirkt das?«
    Nisse fuhr sich mit der Hand über das uralte Gesicht. »Wenn das Gift in die Adern eintritt, sorgt es manchmal dafür, daß das Kind kommt. Wir werden ja sehen.«
    ,Aber wie wirkt sich das auf die Mutter aus?« erkundigte sich Primel.
    »Es ist eine Chance.« Nisse sprach sehr leise. »Frag nicht weiter. Wir wollen nicht beide verlieren.«
    »Beide!« schrie Primel.
    Nisse warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Halt den Mund. Wenn Grüne Esche merkt, was auf sie zukommt … sie ist so schwach … vielleicht zu schwach.«
    Nachtschatten schwebte in der Herrlichkeit des Traumes. Ihre Gedanken glitten federleicht dahin, als seien sie auf den Flügeln eines Falken geboren. Unter ihr stand Talon Town stolz wie ein Juwel in der Hitze der Wüste. In der Nähe des zentralen Platzes saß eine junge Frau in einem blau-gelb karierten Kleid inmitten von Töpfergerätschaften. Eine Pfeife aus einem Adlerknochen hing um ihren Hals. Mit einem Polierstein glättete die Frau ein Stück gezogenen Ton. Anschließend nahm sie ihr Gravierwerkzeug zur Hand und schnitt unterhalb des Gefäßhalses feine Gewitterwolken und Regentropfen darstellende, abstrakte Formen ein. Eine Schar kichernder Kinder rannte an ihr vorbei, und die Frau blickte lächelnd von ihrer Arbeit auf.
    Schmerzhafte Sehnsucht ergriff Nachtschatten. Dunkel war ihr bewußt, daß nur ihre Seele Zeugin dieser Szene war und ihr

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