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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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und kalt wie eine vom Winterwind geformte Eisskulptur.
    Orenda zuckte zusammen und zerrte wie rasend an Nachtschattens Hand. »O nein. Nein, nein!«
    Die Puppe verbrannte rasch; gierig verzehrte das Feuer den mit Mais ausgestopften Körper. Einen Moment lang schössen die Flammen durch die leeren Augenhöhlen der schwarz-weißen Puppenmaske und beleuchteten Tharons Mund. Seine Lippen hatten sich zu einem trägen Lächeln geteilt.
    »Habe ich es dir nicht gesagt, Orenda?« zischte er. »Ich sagte dir, ich würde deine Gefährtin töten, wenn du mir aus dem Weg gehst. Nun ist sie tot, genau wie deine Mutter. Und das nur, weil du mich im Stich gelassen hast, als ich dich am meisten gebraucht habe. Vergiß das nicht. Wenn du dir wieder eine Gefährtin wählst, der du Geheimnisse anvertraust, werde ich «
    »Verschwinde von meiner Tür, Tharon!«
    Mit unheimlich funkelnden Augen blickte er Nachtschatten an. »Du machst mir keine angst mehr, Nachtschatten. Ich habe mit diesem widerlichen Gebilde gesprochen, das du über meine Tür genagelt hast. Dieser bösartige Tumor sagte mir, deine Macht reiche nicht über dein Zimmer hinaus. Folglich bin ich hier draußen im Flur sicher.«
    Nachtschatten ließ Orendas Hand los und sagte zu ihr: »Zieh dich an. Und bring mir mein rotes Gewand.«
    Während das kleine Mädchen ins Zimmer zurücklief, musterte Nachtschatten Tharon nachdenklich. Er schien eher durch sie hindurchzublicken, als sie anzusehen. Es war, als schwebe seine Seele hinter dem grauen Rauchschleier in einer körperlosen Welt. Nachtschatten runzelte die Stirn. Sein losgelöster Blick ließ vermuten, er habe eine Geisterpflanze der Mächte zu sich genommen. Was hatte er in seinen Tee gemischt? Hattest du etwa den Mut, ein wenig von der Datum des alten Murmeltier zu probieren, Tharon?
    »Was treibst du eigentlich, Tharon? Versuchst du, ein Träumer zu werden? Es überrascht mich, daß dich die Erste Frau nicht schon dem Tod zugeworfen hat.«
    »Du machst mir keine angst mehr. Nie mehr. Ich fürchte mich nicht vor dir! Deine Macht kann nicht -«
    »Meine Macht kommt vom Schildkrötenbündel. Wo dieses Bündel ist, ist meine Macht.«
    Kaum waren ihr diese Worte entschlüpft, wurde ihr bewußt, wie unüberlegt sie gehandelt hatte. Von nun an mußte sie das Bündel Tag und Nacht bei sich tragen, oder Tharon würde es an sich bringen und zu zerstören versuchen. Niemand außer Nachtschatten wußte, wie schwach das Bündel war. Seine Macht war zwar schon gewachsen, seine Stimmen schwangen sich wieder lauter empor, aber noch immer konnte es sich nicht verteidigen nicht allein.
    Nachtschatten spürte, wie ihr Orenda den Ärmel des roten Gewandes in die Hand schob. Einen Moment wandte sie die Augen von Tharon ab, zog das Kleid über den Kopf und löste die Verschnürung ihres Schlafgewandes. Sie ließ es achtlos zu Boden fallen. Mit einer Hand drückte sie das Schildkrötenbündel an die Brust, mit der anderen nahm sie Orenda bei der Schulter und trat auf den Flur.
    Tharon umklammerte krampfhaft seinen Herrscherstab und nahm eine Haltung an, als wolle er sich jeden Moment auf sie stürzen. Doch unter Nachtschattens durchdringendem Blick erstarrte er wie ein Kaninchen, das den kühlen Schatten eines kreisenden Adlers auf seinem Rücken spürt.
    »Zwing mich nicht, dich zu töten, Tharon. Ich will es nicht tun, solange es die Erste Frau nicht von mir verlangt. Aber wenn du mich bedrängst, läßt du mir keine Wahl.«
    Aus glasigen Augen beobachtete Tharon, wie Nachtschatten und Orenda ruhig an ihm vorbeigingen und um die Ecke bogen.
    »Rasch. Beeil dich«, flüsterte Nachtschatten Orenda zu, und das Kind stürmte zum Vordereingang.
    Nachtschatten spürte einen eiskalten Windhauch im Genick, als habe sich plötzlich eine warnende Hand erhoben.
    Einige Sternengeborene spähten durch die Spalten der Türvorhänge und beobachteten sie. Sie trugen Haß gegen Nachtschatten in ihren Herzen, weil sie Orenda in ihre Obhut genommen und damit Tharons Wut geweckt hatte. Tharon hatte seinen Rachedurst hemmungslos an ihnen ausgelassen.
    Nachtschatten trat in den nebligen Morgen hinaus und sog tief die feuchte Luft in ihre Lungen, bis das Blut in ihren Ohren rauschte. Erstaunt blickte sie auf den großen Platz hinunter. Mindestens hundert Menschen eilten geschäftig umher oder unterhielten sich und lachten.
    Sie hatte völlig vergessen, daß heute Tauschhandelstag war.
    An jedem siebten Tag eines Mondes breiteten Tharons beste Handwerker ihre

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