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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Äste abgeschlagen, aber das Stämmchen war sehr lang und verfing sich ständig in den Büschen und Felsen entlang des Pfades. Die Anstrengung, die damit verbunden war, es immer wieder frei zu machen, hatte ihn ermüdet, so daß er sich nun langsam wie eine Schnecke dahinschleppte. Aber das würde ihm wohl keiner zum Vorwurf machen. In seinem Alter konnte man von Glück sagen, daß er überhaupt noch in der Lage war, einen Stamm zu bewegen. Ihn störte lediglich, daß die zusätzliche Zeit, die er verbrauchte, den Bau der Zelte verzögerte.
    Der Tag hatte warm und sonnig begonnen, doch nun schoben sich hoch aufgetürmte, grauschwarze Gewitterköpfe über Bruder Himmels Bauch, und der Wind roch nach Regen. Melisse zwang seine schwachen alten Beine schneller vorwärts, um nicht von einem Wolkenbruch überrascht zu werden. Er fürchtete, daß seine schlimmen Knie völlig steif werden und ihre Beweglichkeit niemals wieder zurückerlangen würden.
    Auf der Hügelkuppe waren die Menschen mit dem Bau der neuen Zelte beschäftigt. Auf offenen Feuern brieten die Lendenstücke von Wildbret. Es herrschte eine rege Geschäftigkeit. Der Lärm wurde vom ungleichmäßigen Stakkato der Axtschläge begleitet, mit denen die Männer beim Behauen der Stämme störende Äste entfernten. Die Stämme würde man in Pfostenlöcher stellen, die mit Grabstöcken ausgehoben worden waren, und jeweils zwei entlang des Firstpfahls zusammenbinden.
    Danach würde man dort, wo es nötig war, Verstrebungen anbringen und das Gerüst anschließend mit Häuten bedecken.
    Eine Gruppe von Kindern spielte mit Reif und Stab. Der Reif war ein mit einer Sehne zusammengebundener Weidenzweig. Die Kinder hatten ihn flach auf den Boden gelegt und in einer Entfernung von sieben Metern eine Wurflinie gezogen. Abwechselnd versuchten sie, den Stab, der so groß war wie sie selbst, in den Reif zu werfen. Wenn der Stab in der Mitte des Reifs steckenblieb, zählte das fünf Punkte, und zwei Punkte, wenn er den Reif berührte. Sie spielten bis fünfzehn Punkte.
    Ihr schrilles Gelächter hallte von den Bergen wider.
    Melisse ging keuchend den Hang an. Seine Mokassins rutschten auf dem losen Geröll aus. Für zwei Schritte vor schien er einen zurückzurutschen. Stöhnend umklammerte er das Stämmchen fester. Zu solchen Zeiten vermißte er die kleine Bergsee am meisten. Wäre sie noch am Leben, wäre sie jetzt lachend um ihn herumgesprungen und hätte ihn tausend Dinge gefragt, um ihn den Schmerz in seinem alten Körper völlig vergessen zu lassen.
    Oh, wie du mir fehlst, kleines Mädchen.
    Als er die Hügelkuppe erreicht hatte, sahen Berufkraut und Balsam ihn kommen und eilten herbei, um ihm zu helfen. Beim Laufen schlugen die langen Fransen ihrer Ärmel ihnen gegen die Seite. Ein breites Grinsen lag auf Balsams jungem Gesicht, aber Berufkraut sah ernst aus. War es erst einen Mond her, daß sie beide gleichaltrig gewirkt hatten?
    »Komm, Großvater!« sagte Berufkraut und nahm Melisse den Stamm aus der Hand. »Warum machst du das? Balsam und ich können die Pfosten tragen. Sag uns das nächste Mal Bescheid, wenn du in den Wald gehst. Setz dich doch ans Feuer. Großmutter hat eine leckere Suppe gekocht. Sie ist in dem Kochbeutel am Dreifuß.«
    Balsam lief um Melisse herum und nahm das andere Ende des Stammes auf. Der Alte lächelte und legte die Hand auf Berufkrauts Schulter. »Ich schleppe den Stamm, weil ich noch dazu in der Lage bin, Enkel. Aber Essen klingt gut. Seid ihr schon fertig?«
    »Ja«, rief Balsam dazwischen. »Wir haben gegessen, sobald Großmutter uns gelassen hat.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Hoffentlich ist noch genug für mich übrig.«
    Balsam klemmte den Stamm unter den Arm. »Doch, doch«, versicherte er. »Als wir den Boden des Suppenbeutels erreichten, hat Großmutter uns mit einem Eichenstock vertrieben.«
    Melisse kicherte. Sumach sorgte immer dafür, daß er von jeder Mahlzeit die größte Portion bekam.
    Als ihre Kinder noch klein waren, war das eine wahre Meisterleistung gewesen. Ein Gefühl der Liebe zu ihr durchflutete ihn. Wenn alle ihn verlassen würden, weil er ein dummer, alter Narr geworden war, würde sie immer noch da sein -und ihn wahrscheinlich strafend ansehen. »Wie geht es mit den Zelten voran?« »Die Rahmen sind fast fertig«, antwortete Berufkraut. Melisse stützte sich auf Berufkrauts Arm, als sie durch das Lager gingen. Die Klanmitglieder hatten beschlossen, zwei große Zelte statt mehrerer kleiner zu bauen, weil sie nur

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