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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sich und bot ihr seine Hand. Sie stützte sich darauf, und er half ihr auf die Beine. Sonnenjäger konnte sehen, wie ihr unter dem Kleid die Knie zitterten.
    Mächtige Gefühle erschienen in rascher Folge auf ihrem Gesicht: Angst, Verwirrung, Leere … eine solche Leere.
    Sonnenjäger verstärkte den Griff um ihre Hand, und eine lange Zeit standen sie einfach so da und sahen sich an. Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »O Turmfalke, wein doch nicht.«
    Er ließ ihre Hand los, faßte sie um die Schultern und zog sie an sich. Sie reichte ihm gerade bis an die Brust. Sanft streichelte er ihren Rücken. »Es ist ja gut. Es ist vorbei. Es wird dir gutgehen. Du bist jetzt in Sicherheit.«
    »Das darf ich nicht glauben, obwohl ich mich bei dir sicher fühle.« Sie schlang die Arme um ihn und schmiegte die Wange an sein Hemd. »Danke, daß du mir hilfst. Wahrscheinlich wird mein Mann dich dafür töten.«
    Er hob die Augenbrauen. »Ich werde mir alle Mühe geben, zur Seite zu springen, wenn er auf mich zielt.«
    »Mach dich nicht darüber lustig«, sagte sie, hob das Kinn und blickte ihn ernst an. »Wirklich, Sonnenjäger. Stechapfel wird niemals aufhören, mich zu jagen. Du hast dich in große Gefahr begeben.«
    Er schaute ihr tief in die Augen, und das Blut rauschte betäubend in seinen Ohren. Ihr fest an ihn gepreßter warmer Körper weckte erschreckende Gefühle in ihm.
    »Ja«, sagte er und lächelte grimmig über die Ironie in seiner Stimme. »Ja, das habe ich.« Er mußte sich dazu zwingen, sich ihr zu entziehen.
    Turmfalkes Arme verharrten einen Moment unsicher in der Luft. Beunruhigt musterte sie seine Augen.
    »Ich wollte nicht…«
    »Ich weiß, daß du das nicht wolltest. Meine Schuld.« Lässig zuckte er mit den Schultern. Es war ihm peinlich, so heftig zu atmen.
    »Ist alles in Ordnung? Ich weiß, wie das mit Träumern und Frauen ist. Ich habe doch nicht deine Fähigkeit zu träumen beeinträchtigt? Das würde ich niemals …«
    »Nein.« Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Nein, du bist nicht dafür verantwortlich. Ich muß mit meinen Problemen allein fertig werden.«
    Eine Zeitlang stand sie reglos da. Dann sagte sie zögernd: »Ich … ich denke, ich gehe jetzt schlafen.«
    Er nickte kurz. »Schlaf gut.«
    Sie ging zu ihrem Lager. »Gute Nacht, Sonnenjäger.«
    Er sah zu, wie sie sich neben Wolkenmädchen hinlegte. Sie nahm das Baby in die Arme und zog die Felldecken bis zum Kinn hoch, doch ihre Augen blieben geöffnet und starrten in die Dunkelheit.
    Sonnenjäger schob die Hände in die Manteltaschen. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß sie zu Fäusten geballt waren. Er fühlte sich dumm und verletzlich, wie er so dastand, aber er konnte sich nicht überwinden, schlafen zu gehen. Er wußte, daß er nur wach auf dem Rücken liegen und in die Sterne schauen würde.
    »Ich denke, ich gehe und sammle etwas mehr Holz«, sagte er.
    Turmfalke zog die Felldecken höher, so daß sie ihr Gesicht halb bedeckten. »Danke.«
    Er ging los. Die Wellen schlugen sanft und rhythmisch gegen den Strand. Der Wind kühlte Sonnenjägers erhitztes Gesicht und beruhigte ihn soweit, daß seine Schultern sich schließlich entspannten. Sein Blick glitt über den schwarzen Bauch von Bruder Himmel. Das Sternenvolk flimmerte wie eine Million Schneeflocken. Holzkohlenfarbene Wolken trieben über den Horizont im Westen.
    »Es ist alles in Ordnung«, murmelte er. »Morgen liefere ich Turmfalke und Wolkenmädchen sicher im Otter-Klan-Dorf ab. Dann kehre ich zur Felsenhöhle zurück und fange wieder ernstlich mit Träumen an.«
    Als er anhielt, um das erste Stück Treibholz aufzuheben, tönte das Trompeten eines Mammuts. Das Echo des aus tiefer Kehle kommenden ängstlichen Rufs hallte in den Vorbergen wider.
    Sonnenjäger starrte mit weit geöffneten Augen auf die bewaldeten Hänge. Ein zweites Mammut schloß sich dem ersten an und schmetterte ebenfalls seinen Ruf in die Nacht hinaus.
    Ihre Rufe vereinigten sich zu einem gequälten Geschrei.
    Er brauchte einige Zeit, um seine Stimme wiederzufinden. Dann murmelte er: »Habt keine Angst.
    Noch bin ich nicht verloren.«

27. KAPITEL
    Die jungen Eichenblätter zitterten in dem kalten Wind, der durch den Wald wehte. Jede freie Stelle war mit Wildblumen übersät, die die Hänge mit roten, blauen und weißen Flecken überzogen. Melisse zerrte ein abgehauenes Kiefernstämmchen auf einem Wildwechsel hinter sich her zum neuen Dorfplatz und sog dabei den süßen Duft ein.
    Er hatte die

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