Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste
Nordseite des Hügels hier in die Berge führt, wirst du sie finden.«
»Danke, alter Freund. Wir gehen in ein paar Tagen dorthin, wenn die Krankheit in deinem Dorf besiegt ist.«
»Sonnenjäger …« Zecke zögerte. »Wegen dieser Frau, die bei dir ist… Turmfalke - wer ist sie?«
Turmfalke grub die Finger in den Sandboden. Sonnenjäger schwieg einen Moment, und die Pause wurde von den Geräuschen der Nacht erfüllt; die Wellen schlugen gegen den Strand, und der Wind ließ die Espenblätter rascheln. Wolkenmädchens leiser Atem schien Turmfalke so laut wie das Rollen des Donners.
»Mach dir keine Sorgen wegen Turmfalke, Zecke. Manche Träumer haben in ihrem Leben ohne weiteres Platz für eine Frau. Ich bin einer davon. Bitte mach dir keine Sorgen. Geh schlafen. Du mußt dich etwas ausruhen.«
Leise entgegnete Zecke: »Und du auch, Sonnenjäger. Laß uns … Ich möchte morgen noch mal mit dir über Turmfalke sprechen.«
»Ja. Gute Nacht.«
Turmfalke hörte die sich entfernenden Schritte. Der Zeltvorhang wurde geöffnet, und das Mondlicht fiel herein. Sonnenjäger schlüpfte ins Zelt. Der rhythmische Gesang Mutter Ozeans wurde einen Moment lauter und klang dann wieder gedämpft, als der Zeltvorhang sich schloß.
Sonnenjäger sah Turmfalke müde an. Strähnen weißen Haares klebten schweißnaß an seinen Schläfen.
»Hallo, Sonnenjäger! Wie sieht es im Dorf aus?«
Er schüttelte den Kopf. »Schlimmer, als ich zugeben möchte.« Die Falten um seine schwarzen Augen vertieften sich, als er seufzend den Kopf senkte.
»Nun, heute nacht kannst du nichts mehr tun. Du mußt schlafen, Sonnenjäger.« Sie nahm Wolkenmädchen auf und legte es hinter sich an der Zeltwand nieder. Dann rutschte sie zur Seite, um für Sonnenjäger Platz zu machen.
Er legte neues Holz auf die Glut, zog seine Kleider aus und ließ sie neben die Feuerstelle fallen.
Turmfalke wußte, daß er das tat, damit seine Kleider warm waren, falls er sie mitten in der Nacht wieder anziehen mußte.
Sonnenjäger streckte seinen kräftigen Körper neben ihr auf den Felldecken aus und ließ sein Kinn an ihrem Haar ruhen.
Als er nicht sprach, fragte sie: »Sonnenjäger, wie viele hast du heute geheilt?«
»Keinen.«
Turmfalke sah ihn an. Er starrte unverwandt an die Decke und schwieg. Dann begann er, seinen Zopf zu lösen.
»Du bist gerade erst angekommen«, versuchte sie ihn zu trösten. »Morgen …«
»Was ist mit mir los, Turmfalke?« flüsterte er. Seine Miene nahm einen gequälten Ausdruck an. »Ich konnte die Menschen immer heilen. Warum geht es jetzt nicht mehr?«
Turmfalke schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest. »Du bist erschöpft. Warte. Du wirst dich jetzt eine Nacht lang richtig ausruhen, und morgen kannst du wieder heilen.«
Er ließ die Hand zärtlich ihren Hals hinabgleiten. Seine Stimme klang matt und heiser. »Turmfalke, ich … Alle, die ich heute berührt habe, sind gestorben.«
Als Turmfalke ihm einen beunruhigten Blick zuwarf, zog er die Hand zurück und ballte sie über dem Herzen zur Faust, drehte das Gesicht zur Seite und starrte mit leerem Blick auf das Feuerholz, das sie beim Eingang aufgestapelt hatte. Das schwache Flackern des Feuers ließ sein angespanntes Gesicht merkwürdig durchscheinend aussehen.
Als sie sich erinnerte, wo sie diesen hoffnungslos verzweifelten Blick schon einmal bemerkt hatte, sank ihr das Herz: Es waren die Augen eines Sterbenden gewesen. Draußen fegte ein kalter Windstoß raschelnd durch die Espenblätter und trug die Geräusche des Leidens vom Dorf herüber. Ein Baby weinte und weinte …
Sie war von unerträglichem Kummer erfüllt. In dem Versuch, sich selbst und Sonnenjäger zu beruhigen, stützte Turmfalke sich auf einen Ellbogen und küßte Sonnenjäger voll Hingabe.
Er schaute sie an, und das Verständnis in seinem Blick war beinahe unheimlich - fast so, als hätte er an dem Tag neben ihr gestanden, als sie das letzte Mal in Eiskrauts lebende Augen geschaut hatte.
Sonnenjäger erwiderte ihren Kuß. Zuerst sanft, als wollte er sie beruhigen, doch bald wurde es fordernder. Er küßte sie so leidenschaftlich, daß sie alle anderen Sorgen vergaß. Sie war an seine übliche ruhige Freundlichkeit gewöhnt und erstarrte, als er ihr heftig das Kleid über den Kopf zerrte und es über den Türvorhang warf. Sonnenjäger drehte sie auf den Rücken und liebkoste hungrig ihren Körper.
»Oh, Turmfalke, ich liebe dich so sehr«, murmelte er.
Er vollzog den Liebesakt mit stürmischer
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