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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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unterbrach ihn Melisse und sah den kleineren Mann mit den grauen Zöpfen an. »Du mußt der Händler Stechapfel sein.«
    Der Mann verbeugte sich tief und nickte. »Der bin ich. Und das ist mein Bruder Tannin. Wir kommen vom Bär-Schaut-Zurück-Klan auf der Seenplatte.«
    Melisse neigte respektvoll den Kopf, sagte aber nichts.
    Stechapfel fuhr fort: »Wir sind euch zu Dank verpflichtet. Milan hat uns erzählt, daß ihr ihm geholfen habt, da ihr ihm und seinen Brüdern erlaubt, hierzubleiben und den Pfad zu bewachen, auf dem Turmfalke vielleicht kommen wird.«
    Melisse zeigte zum Feuer. »Bitte, setzt euch und nehmt Tee.«
    Melisse setzte sich mühsam neben Sumach nieder, und auch die anderen Männer suchten sich einen Platz und legten ihre Bündel ab.
    Sumachs Augen verengten sich, als sie sah, mit wieviel Ehrfurcht Stechapfel sein Bündel auf den Schoß nahm. Er schnürte zwei Bänder auf und nahm eine Holztasse heraus.
    Tannin hockte sich wachsam mit auf die Knie gestützten Armen neben Stechapfel nieder. Auch er holte seine Tasse hervor. Unter seinen braunen Hosen wölbten sich kraftvolle Beinmuskeln. Milan füllte Tee in Stechapfels und Tannins Tassen. Dann zog er einen Eichenkloben aus dem Brennholzstapel und setzte sich darauf.
    Sie schwiegen eine Weile, bis Melisse geradeheraus erklärte: »Es tut mir leid, Händler, dir sagen zu müssen, daß deine Frau bisher nicht in unserem Dorf aufgetaucht ist.«
    , Aber sie wird kommen«, erwiderte Stechapfel. »Sie ist auf dem Weg hierher. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
    Melisse wiegte den Kopf. »Nun, vielleicht, aber …«
    »Es gibt kein Vielleicht«, unterbrach ihn Stechapfel. Unheilverkündend schaute er Melisse in die Augen. »Vor zwei Tagen waren wir im Moosfelsen-Dorf. Dort hat man uns gesagt, daß sie gesehen worden ist.«
    Sumach hakte sich bei Melisse ein und setzte sich seitlich auf den Oberschenkel. Dabei blickte sie zu Stechapfel hinüber. Mit kalter Stimme sagte sie: »Das ist kein Beweis dafür, daß sie vorhat, hierherzukommen.«
    »Nein«, stimmte Stechapfel zu. »Aber der Mann, mit dem sie zusammen war, hat gefragt, wie man zu eurem neuen Dorf kommt. Das läßt darauf schließen, daß sie beabsichtigen, hierherzukommen.«
    Sumach bemerkte den scharfen Blick, den Tannin seinem Bruder zuwarf, und klammerte sich fester an Melisse. Offensichtlich fühlte sie, genau wie Melisse, daß bei dieser Behauptung etwas Merkwürdiges mitschwang, absichtlich etwas ungesagt geblieben war. »Stimmt es«, fragte Sumach, »daß deine Frau einen Säugling bei sich hat?«
    Stechapfel nickte. »Sie hat das Kind geboren, nachdem sie aus dem Wacholder-Dorf geflohen war. Sie hatte Zwillinge. Wir haben die Stelle gefunden …«
    »Eine mit Zwillingen schwangere Frau ist geflohen und entkommen?« fragte Sumach mit Ehrfurcht in der Stimme. »Sie muß sehr verzweifelt gewesen sein.«
    »Aus gutem Grund.« Stechapfels verwittertes Gesicht legte sich in Falten, als er mit gerunzelter Stirn auf das Bündel in seinem Schoß hinabblickte. Zärtlich streichelte er das Leder. In dem dunkler werdenden Himmel hinter ihm schössen die Fledermäuse auf der Jagd nach den über die Wiese schwirrenden Insekten flatternd auf und nieder. »Sie ist wegen einer blutschänderischen Beziehung mit ihrem Vetter zum Tode verurteilt worden.«
    Tannin schlürfte scheinbar zwanglos seinen Tee, aber er hatte die Tasse mit beiden Händen umklammert, als wäre seine Anspannung unerträglich geworden. Ständig warf er besorgte Blicke auf Stechapfel.
    Milan kippte seinen Eichenklobensitz vor und stemmte die Ellbogen auf die Oberschenkel, dann streckte er die Hände aus und wärmte sie über dem Feuer. »Melisse, Stechapfel und Tannin bitten dich um deine Erlaubnis, hierzubleiben.«
    »Nur noch so lange, wie du und deine Brüder hier sind, Milan. Ihr habt nur noch drei Tage übrig. Mehr Zeit kann ich euch nicht zugestehen. Schon jetzt ist mein Dorf in Aufruhr. Jeder Mann hier schläft mit seinem griffbereiten Atlatl neben sich, weil alle befürchten, daß diese Angelegenheit einen Krieg zwischen unseren Klans auslösen könnte. Die Frauen verbieten ihren Kindern, weit vom Dorf wegzugehen. Es ist nicht gut für uns, euch und eure …«
    »Aber, Melisse, hör zu! Stechapfel weiß, daß Turmfalke auf dem Weg hierher ist. Sie wird hier eintreffen. Vielleicht nicht in den nächsten Tagen, aber bald, und dann werden wir sie fangen. Wenn du nur …«
    »Ich habe nein gesagt. Muß ich mich wiederholen?«
    Milan

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