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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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noch einmal.«
    »Und dein Mann?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht. Aber geh weiter. Ich werde dir in das Dorf folgen.«
    Berufkraut sah, wie sie einen Finger über ihren Atlatl mit dem eingelegten Speer gleiten ließ und begann, den Hügel hinanzusteigen. Sie hatte das Recht, sich zu verteidigen, aber er hoffte inständig, daß sie keinen Mord plante. Beim Otter-Klan wurde ein solches Verbrechen unverzüglich bestraft.
    »Turmfalke«, warnte er sie, »greif ihn nicht zuerst an, wieviel Angst du auch hast. Mein Volk würde das nicht verstehen.«
    »Danke, Berufkraut. Ich kenne die Regeln deines Volkes nicht und brauche deine Hilfe.« Sie löste ihren Speer aus dem Atlatl und band ihn am Gürtel fest. Den langen Speer blickte sie an, als fragte sie sich, was sie mit ihm tun solle.
    »Du kannst ihn in meinen Köcher stecken, wenn du willst. Ich werde dicht bei dir bleiben. Ich denke, du kannst ihn erreichen, wenn du ihn brauchst.«
    »Danke.« Turmfalke ging vor und steckte ihren Speer in seinen Köcher.
    Berufkraut richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Pfad. Sie kamen über eine Strecke mit freiliegendem Fels, und die Enden des Schleppgestells schrammten kreischend darüber hinweg. »Du bist eine mutige Frau. Bleib hinter mir. Wenn es Ärger gibt, werde ich meinen Atlatl nehmen. Was ich zu deinem Schutz tue, wird niemand in Frage stellen.«
    Sie kamen an Milans leerem Lager vorbei. Das Feuer war zu Rotglut niedergebrannt. Der Geruch des Rauchs vermischte sich mit dem Duft der taufeuchten Wiese, auf der Milans Hütte stand. Aus den Augenwinkeln sah Berufkraut, daß Turmfalkes Beine so stark zitterten, daß sie kaum laufen konnte.
    Auch seine eigenen Beine waren schwach, wenn auch aus einem anderen Grund. Komm schon, Berufkraut. Nur noch ein bißchen weiter! Sonnenjäger hat dich einen Mann genannt… Beweise es! Er legte sich ins Zeug, obwohl jeder Muskel seines Körpers vor Schmerz fast aufschrie.
    Turmfalke biß sich auf die Unterlippe. Auf der Hügelkuppe brannte ein großes Feuer. Etwa zwei Dutzend Menschen standen in Sichtweite und redeten. Der flackernde, goldene Schein der Flammen hüllte das Dorf ein und löschte das Funkeln der Sterne aus. Hier und da ertönte Geschrei. Turmfalkes Gesichtsausdruck verriet, daß sie einen Alptraum durchmachte - einen Alptraum, der sie schon tausendmal im Schlaf heimgesucht hatte.
    Doch sie nahm sich zusammen und ging weiter. Ihr Mut gab Berufkrauts schwindenden Kräften Auftrieb. Er nickte. Diese Nacht würde für sie beide eine Prüfung sein. Eine Prüfung der Seelenstärke bei ihr und der körperlichen Stärke bei ihm. Er leckte sich über die trockenen Lippen, und mühsam, Schritt für Schritt, zerrte er das Schleppgestell den westlichen Pfad zum Dorf hinauf.
    Stechapfels Stimme überlagerte die Stimmen der anderen. Rasend vor Wut brüllte er: »Wessen Baby ist das? Zeigt mir die Mutter! Ich möchte sie sehen!«
    Turmfalke mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien. Es klang genauso wie in der Nacht von Eiskrauts Ermordung, als Stechapfel mit rot angelaufenem Gesicht vor ihr gestanden und mit dem Messer gegen ihren schwangeren Leib geschlagen hatte.
    Heilige Mutter Ozean, ich tue alles, was du willst. Aber beschütze mein Baby.
    Turmfalke ließ Sonnenjägers Ärmel los und griff nach dem Haken ihres Atlatls. Sie würde Berufkrauts Worte befolgen und ihn nur benutzen, wenn sie dazu gezwungen war. Aber allein das Gefühl des Holzes unter ihren Fingern war eine Beruhigung.
    Berufkraut blieb heftig atmend vor der Hügelkuppe stehen und warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Auf seinem schweißnassen Gesicht glänzte der Schein des Feuers.
    »Bist du bereit?«
    Turmfalke konnte das flackernde Feuer sehen und Stechapfel. Er stand mit Tannin neben dem Feuer.
    Das Kinn hielt er vorgereckt, und seine Wangen waren mit roten Flecken übersät. Auf dem Rücken trug er ein Bündel.
    Bewahrt er da das tote Baby auf? Diesen wunderschönen, toten Jungen …
    Irgend etwas in der Art, wie Stechapfel die Arme schwenkte, ließ eine schwarze Blase in Turmfalkes Brust anschwellen, bis sie fürchtete, vielleicht krank zu sein.
    »Ja, ich bin bereit.«

41. KAPITEL
    Im Schein des Feuers schien der Staub, der von der auf dem Dorfplatz versammelten, beunruhigten Menschenmenge aufgewirbelt wurde, schwach zu funkeln. Die Zöpfe der Dorfbewohner waren zerzaust, als wären sie unvermittelt aus ihren Schlafdecken aufgeschreckt worden. Turmfalke beobachtete

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