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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Speer aus dem Köcher zu ziehen.
    Er stemmte sich gegen die Querleiste und zog das Gestell über eine Wiese mit Wildblumen hangabwärts. Zu viele Dinge ereigneten sich, als würde die ganze Welt sich auflösen. Und er war mittendrin.
    »Hast du Blutschande begangen?« fragte Berufkraut geradeheraus.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Nach dem Gesetz meines Volkes, ja. Aber die Mutter meines Geliebten kam von eurem Klan, dem Otter-Klan. Mein Geliebter sagte, daß die Verwandtschaft bei euch über die weibliche Linie hergeleitet wird, deshalb hat er mich nicht als seine Kusine betrachtet.«
    Berufkraut furchte die Stirn. »Wo wird die Verwandtschaft in deinem Klan hergeleitet?«
    »Über die männliche Linie.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe gehört, daß es so etwas gibt, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte. Lebt ihr, wenn ihr geheiratet habt, im Zelt eures Mannes im Dorf seiner Mutter?«
    »Im Dorf seines Vaters. Aber oft dürfen die Ehefrauen von Händlern in ihrem Dorf bleiben. Es ist eine Gefälligkeit von seiten des Mannes. Das Leben im Dorf des Ehemannes wäre für die Frau sehr hart.
    Händler sind das halbe Jahr und länger auf Reisen, und die Frau wäre in einer Gruppe von Fremden verloren. Aber normalerweise leben die Frauen im Dorf ihres Mannes. Bei meinem Volk gehört alles den Männern: die Hütten, die Kinder, sogar der Körper einer Frau.«
    Berufkraut legte lauschend den Kopf zur Seite, als vor ihm ein paar Mäuse über den Pfad huschten. Er sah, wie ihre kleinen Körper über die nackte Erde wieselten. Mit den Augen suchte er die nächste Erhebung nach irgendeinem Zeichen von Gefahr ab. »Dann war dein Geliebter also mit deinem Vater verwandt?« Stöhnend zog er das Schleppgestell um ein tiefes Loch in dem Pfad herum.
    »Ja. Eiskraut war der Sohn des Bruders meines Vaters.«
    »Was meinen Klan betrifft, so wäre er nicht dein Vetter gewesen. Ich habe seinen Namen jedoch nie zuvor gehört. Wie hieß seine Mutter?«
    »Windschatten.«
    Berufkraut kaute gedankenverloren an seiner Unterlippe. Um Turmfalkes willen betete er zu Alter-Mann-Oben, daß jemand diesen Namen kannte. »Mach dir keine Sorgen. Sie muß vor langer Zeit hier weggegangen sein. Vielleicht werden sich einige der Klanältesten an sie erinnern.«
    »Hoffentlich, Berufkraut.«
    Verwandtschaft auf die Blutslinie des Vaters zu gründen statt auf die der Mutter. Wie kam es nur, daß die Menschen so unterschiedlich dachten? Er war an der Küste aufgewachsen und noch in keine Richtung weiter als zwei Wochen gereist. Alle Menschen, die er kannte, waren über die mütterliche Linie miteinander verwandt. Wenn sein Volk die gleichen Gesetze hätte wie Turmfalkes Volk, wäre keiner seiner Verwandten mit ihm verwandt. Der Gedanke war verwirrend. Für Eiskrauts Mutter mußte es schrecklich gewesen sein. Wie konnten ihre Eltern sie gezwungen haben, in ein so merkwürdiges Leben hineinzuheiraten? Welcher seiner Verwandten hatte Windschatten das angetan?
    Berufkraut kämpfte länger als eine halbe Stunde gegen das Gewicht des Schleppgestells an. Dann blieb er nach Atem ringend stehen. Seine Beine schmerzten. Die Muskeln in seinem Rücken waren überanstrengt.
    »Geht es noch?« fragte Turmfalke.
    »O ja, bestens.« Er lächelte sie an und versuchte, nicht auf seine zitternden Glieder zu achten. Warum mußte Sonnenjäger auch so schwer sein? Berufkraut warf sich wieder ins Zeug und trieb sich immer wieder an. Er wollte auf keinen Fall, daß diese hübsche Turmfalke glaubte, Berufkraut sei ein Schwächling.
    Der Mond war die Hälfte seiner Bahn über den Himmel gewandert, und an Berufkraut lief der Schweiß in Strömen herab. Seine Beine zitterten, und die Stangen scheuerten seine Hüften wund. Er atmete keuchend, doch er biß die Zähne zusammen und stampfte weiter.
    »Kann ich dir helfen?« fragte Turmfalke. »Vielleicht könnte ich …«
    »Nein. Es geht bestens.«
    Berufkraut blickte zu dem steilen Hang vor ihm und versuchte, aus seinen Reserven nochmals etwas Energie zu sammeln. Als er die nächste ebene Stelle erreichte, legte er wieder eine Pause ein.
    »Mein Dorf ist hinter der nächsten Erhebung.« Er drehte sich um und schaute Turmfalke an. Trotz des kalten Windes lag Schweiß auf ihrer glatten Stirn. Dünne Haarsträhnen klebten daran. »Gehst du mit mir ins Dorf?«
    Mit zusammengekniffenen Augen blickte Turmfalke auf den Hügel. »Ich denke, ich … Berufkraut, ich verlasse Sonnenjäger nicht. Nicht

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