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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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kalt. Sie sitzt in einem Wald und lauscht den Stimmen der Männer. Es ist nicht seine Stimme.
    Silberwasser teilt mit beiden Händen die Stengel vor sich, um hindurchzuschauen. Muschelschale hat sich verändert. Silberwasser spürt, daß sie genießt, wie ihr Körper massiert und gestreichelt wird.
    Flimmernde Lichtflecken tanzen über ihre Brüste. Es scheint ihr zu gefallen.
    Silberwassers Mutter richtet sich auf und schaut nachdenklich umher. »Langer Mann, wo hast du die Maske gelassen?« fragt sie. »Ist sie noch im Haus von Muschelschale?«
    »Ja, sie liegt beim Feuer. Ich wollte nicht, daß meine alte Liebe sie noch einmal sehen muß.«
    »Gut. Ich will sie auch nicht mehr sehen.«
    Silberwasser atmet tief ein und langsam wieder aus. Langer Mann hat gesagt, wenn Kinder in die Augenhöhlen der Maske blicken, dann sehen sie sich, wie sie sind - aber sie hat sich nicht gesehen.
    Schlangenaugen waren in den Höhlen. Glänzende, goldene Sonnen, die auf sie zurasten.
    Als nach vier Tagen die Gebete gesprochen waren und genug Brennholz bereitlag, trugen sie Glut aus der Feuergrube zu dem Scheiterhaufen, auf dem der Leichnam von Abendstern lag.
    Als die Flammen loderten, schwang sich Sternmuschel ein Bündel, das sie gepackt hatte, über die Schulter und folgte Langer Mann in die Dämmerung. Diesmal hatten sie Essen dabei und was sie sonst noch für die Reise brauchten.
    Sie zündeten das Haus der alten Frau an, und während die Flammen sich an den Rindenwänden emporfraßen, nahm Langer Mann den Grabstock aus Hartholz. Der alte Hund blickte traurig auf das Feuer. Blitzschnell schleuderte der Zwerg den schweren Stock in hohem Bogen durch die Luft. Er erwischte den Hund genau hinter den Ohren und brach ihm das Genick.
    »Warum hast du das getan?« wollte Sternmuschel wissen, die sich hinkniete und den Hund streichelte.
    »Weil ich Mitleid mit ihm habe, Sternmuschel«, sagte Langer Mann leise. »Dieser alte Hund wäre vor Einsamkeit gestorben. Ich glaube, er hat Muschelschale mehr geliebt als alle Männer in ihrem Leben zusammen.« Er zog das Tier am Schwanz in die Flammen. »So kann er mit ihr gehen und die Ahnen kennenlernen. Das hätte er sich sicher gewünscht.« Darauf schulterte Langer Mann seinen Packen und ging über das Schneefeld.
    Als Sternmuschel wieder aufgestanden war, gewahrte sie, daß Silberwasser lächelnd auf den Hund blickte. Wie konnte sie lächeln?
    »Los, komm«, befahl Sternmuschel, schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Dann stapfte sie in der Spur der kleinen Schritte von Langer Mann und drehte sich noch einmal um. Die Flammen schoßen rot in den Abendhimmel. Bald würde die Dunkelheit das rauchende Totenhaus, das so viele Geheimnisse barg, sanft umhüllen.
    Jetzt hörte sie Silberwasser singen:
    Bunte Federn und Totenklagen, Holz über Gräbern, in Erde gebaut. Trägheit und Faulheit, in Körben getragen. Ein Paar der Sonne, im Himmel getraut.
    »Was ist das für ein Lied, Liebes?«
    Silberwasser sah auf. »Mama, das ist ein Lied, das ich gelernt habe.«
    »Wo?«
    Silberwasser deutete nach vorne. »Wir sollten uns beeilen. Langer Mann ist schon weit voraus.« Sie lief hinter dem Zwerg her.
    Sternmuschel zwang sich, ihre Tochter nicht zu packen und die Wahrheit aus ihr herauszuschütteln. Jetzt ist nicht die Zeit dazu, sie hat schon genug erlebt.
    Hinter ihr flammte das Feuer hoch. Kreisten in ihm noch die letzten Erinnerungen von Abendstern?
    Und wenn es so wäre - würden das jetzt andere sein, nachdem sie gewagt hatte, die Maske anzublicken?
    Die Feuersteinklinge war glatt von Blut und Fett. Perle wischte die Schneide am Hemd ab und machte sich dann wieder daran, den Weißschwanzhirsch zu zerlegen, den Sechsfinger und Schwanzloser Puma gebracht hatten.
    Ein eisiger Wind blies aus Nordwesten, und immer wieder wirbelten Schneeflocken über das aschgraue Wasser des Flusses. Um die Düsternis zu vertreiben, hatten die Khota große Feuer entfacht, die funkensprühend prasselten.
    Perle hatte den weißen Bauch des Tiers aufgeschlitzt. Sie griff in die warme Bauchhöhle, den Geruch des Hirschs in der Nase. Mit kundiger Hand riß sie die Eingeweide heraus. Sie zerschnitt das Zwerchfell, und warmes, rotes Blut quoll aus den verletzten Lungen in den Bauchraum.
    Herz, Leber und Nieren legte sie auf feuchte Blätter. Während sie den Hirsch ausweidete, bemerkte sie den Bandwurm. Sie schnitt ein Stück Darm ab, schob einen Teil des Bandwurms hinein und knotete die Enden zu. Sie verwahrte das Teil in

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