Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
gewesen, seine beste Freundin. Er betete darum, am Leben zu bleiben, um sie wieder zu sehen.
Teichläufer fiel wieder in den Laufschritt; seine Sandalen hinterließen eine Reihe von Abdrücken im dunkelnden Sand. Die frische Luft kühlte seine erhitzten Wangen und roch nach Algen und Krebstieren. Sandkrabben, die er überspringen musste, fielen mit den Wellen über den Strand. Er atmete tief ein, und die Gerüche durchlüfteten seine Seelen.
Das Blitzvogeljunge war während der letzten Zeithände erstaunlich ruhig geblieben, so als ruhte es aus oder wartete einfach geduldig in seinem Herzen auf die Möglichkeit, sich durch seine Rippen zu hacken und in den Himmel aufzuschießen. Es hatte nicht mehr gepoltert, seit er Windeck-Dorf verlassen hatte.
Doch der Vogel wusste ebenso wie Teichläufer, dass sie nun beide über ihr eigenes Schicksal bestimmten. Vor ihnen lag der rechte Weg. Sie brauchten ihm nur zu folgen und zu tun, was die Geister gesagt hatten.
Dennoch beschäftigte sich Teichläufer unaufhörlich mit seinem Tod. Wie lange hatte er noch zu leben? Tage? Einen Mond? Er betrachtete seine Brust. Auf seinem Gewand waren Schweißflecken. »Weißt du es, Vogeljunges? Wann verlässt du wohl das Nest in meinem Herzen? Bald?«
Nicht das entfernteste Donnergrollen antwortete ihm. Der Blitzvogel blieb totenstill.
Während er lief, schweiften Teichläufers Gedanken umher. Vielleicht war der Vogel gar nicht mehr hier drinnen? War er wieder auf dem Seelenflug? Um den alten Hundszahn zu sehen?
Vor ihm, im Bogen des Strandes, lag eine kleine Bucht, von Pinien und Palmen gesäumt. Die dunklen, glänzenden grünen Palmwedel verdeckten schwere Beerentrauben, die bis zu ihm hinunterhingen.
Einen besseren Lagerplatz gab es nicht. Sein langes Gewand wölbte sich um seine Beine, als er vorwärts stürmte und schwer atmend bei den Bäumen ankam.
Er pflückte sich eine überhängende Beerentraube. Pinienzapfen lagen über dem nadelbedeckten Boden verstreut. Wenn die Eichhörnchen sie noch nicht entdeckt hatten, fände er vielleicht Piniennüsse für sein Abendessen.
Er streifte sein Bündel ab, unter den schwingenden Ästen kniend, legte die Beeren zur Seite und entrollte seine Decke. Er breitete sie aus und sank müde auf die blauen und schwarzen geometrischen Muster. Der ganze Körper tat ihm weh. Der Wind fuhr durch die Bäume ringsum, wispernd und winselnd. Er streckte die Beine aus und fuhr zusammen. Hundszahn hatte Recht gehabt; als Blitzjünger war er verwöhnt und beschützt worden, er hatte nie etwas Gewagtes unternehmen dürfen.
Nach nur einem Tag Dauerlauf über den Strand würde kein Krieger so leiden wie er jetzt. Krieger hatten ihre Muskeln gekräftigt, so dass sie notfalls tagelang rennen konnten. Er schämte sich, dass er nicht mehr Kraft hatte - besonders jetzt, da er sie so nötig hatte.
Er setzte sich und öffnete den Beutel. Wie gut es tat, nicht mehr auf den Beinen zu sein. Die Füße schmerzten ihn im Spann. Er setzte sich neben die Beeren und holte seine Frischwasser-Kalebasse und ein Säckchen mit geräuchertem Fisch hervor; dann angelte er sich einen Pinienzapfen, der unter der Decke einen Höcker bildete. Jede Nuss darin war schon gegessen. Er warf den Zapfen in den Schatten.
»Mein Pech! Dann müssen mir Fisch und Beeren genügen, ich habe nicht mehr die Kraft, aufzustehen und etwas anderes zu suchen.«
Er aß etwas Fisch und danach ein paar Beeren. Die Abwechslung zwischen Geräuchertem und Süßem war so gut, dass er vor Zufriedenheit seufzte. Er legte sich auf den Rücken und starrte auf die schwingenden Äste über seinem Kopf. Durch die Piniennadeln hindurch sah er die ersten Leuchtleute wie Feuerbrände über dem ganzen Himmel erscheinen. Ihre verschiedenfarbigen Gewänder schimmerten hell. Einmal hatte er Rotalge erklärt, wie auffallend sich die roten von den blauen unterschieden; stirnrunzelnd hatte sie erwidert, sie könne die Farben sehen, wenn sie sich sehr anstrengte, aber sie fielen ihr nicht so auf wie ihm. Vielleicht verstärkten seine schwachen Augen die Schatten. Aber wie auch immer - jeder der Leuchtleute kam ihm einzigartig vor. Oberhalb der Pinienkrone funkelte eine goldene Leuchtperson gleich neben einer aus Silber. Ein entzücktes Lächeln kräuselte seine Lippen. Schwache Augen hatten auch ihr Gutes.
Er aß noch mehr Fisch und Beeren, so lange, bis er ganz müde wurde; dann rollte er sich in seiner Decke zusammen, das Gesicht zur Meerfrau gewandt, und sah, wie das
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