Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
Licht der Sterne über das Wasser flutete. Der Wind peitschte ihm das Haar um die Augen. Teichläufer gähnte, und bevor er es merkte, hatte ihn der Schlaf übermannt.
    Der Geruch von Insektenfett, rauchgebeizt, schreckt mich auf. Meine Lungen ringen nach Luft, viel Luft, doch wenn ich den Drang, nach Luft zu schnappen, unterdrücke, muss ich sicher gleich platzen.
    Aber wenn mich dieser Mensch töten wollte, dann wäre ich doch bestimmt schon tot? Vorsichtig mache ich ein Auge einen Spalt auf.
    Gegen die silbern besprenkelte Schale des Nachthimmels sehe ich die Schildpattpuppe fliegen. Sie lässt sich von der Strömung des Windes treiben, aufwärts und abwärts, und hält direkt über meiner Nasenspitze inne. Ihr abgetragenes Gewand sieht noch zerschlissener aus, als hätte sie ein grausamer Fremdling in seinen Händen verdreht, um sie auseinander zu brechen. In ihrem Rock klafft ein breiter Riss.
    »Bist du in Ordnung?« flüstere ich. »Du siehst aus, als hätte dir jemand das Gesicht abgeschabt.«
    Die Schildpattpuppe macht einen Salto und dreht sich über meinem Kopf. »Nichts auf der Welt ist in Ordnung. Einer der Leuchtenden Adler ist tot. Wollte ich dir nur sagen.«
    Entsetzen packt mich. Ich stütze mich auf einen Ellbogen. »Heilige Geister! Und ich hatte nichts damit zu tun! Was ist mit den anderen Adlern? Können sie den Sturmbläser noch halten?«
    Die Schildpattpuppe schießt herab wie ein Falke mit angelegten Flügeln, saust durch Zweige und über Fächerpalmen. Ihr dunkles Haar weht im Wind. »Im Augenblick noch.«
    »Warum erzählst du mir das? Ich kann ihnen doch nicht helfen.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein, ich glaube nicht. Oder kann ich's doch?«
    Die Schildpattpuppe hält inne. »Menschen sind ziemlich interessant. Kupferkopf erzählt mir immer, wozu er fähig ist, und du erzählst mir immer, wozu du nicht in der Lage bist.«
    Mein Kinn fährt hoch; ich starre ihr in die Augen, die früher einmal braun gewesen waren. »Du kennst Kupferkopf?«
    »O ja. Sehr gut.«
    »Warum hast du mir das nie gesagt? Ich habe so viele Fragen, die ihn betreffen. Ich wünschte, du -«
    »Ich erlaube dir eine Frage. Nur eine, Teichläufer. Überlege dir genau, welche du stellst.«
    »Nur eine?« Ich runzle die Stirn. »Warum? Warum nicht so viele, wie ich will?«
    »Stell mir eine Frage. Und mach schnell, ich habe nicht viel Zeit.«
    Meine Kapuze ist hinuntergerutscht, und mein langes weißes Haar hängt mir ums Gesicht. Ich fasse es mit einer Hand und halte es im Nacken fest, während ich nachdenke. Welche Frage ist die wichtigste?
    Was muss ich vorrangig wissen?
    »Also gut«, sage ich und hole Atem. »Ist Kupferkopf ein Hexenmeister oder nur wahnsinnig?«
    »Er hat eine Manie, was Schmerzen betrifft, und die schenkt ihm hochgradige Klarheit. Dunkelheit, die kein Licht durchbricht. In diesem Bereich verstummen alle Fragen, und er kann wie ein Fremder in seiner eigenen Gesellschaft sein. Einen Augenblick lang kann er ohne ihrer beider Vergangenheit leben. Bist du zu jung, um das zu verstehen? Was es bedeutet, die Qualen der Reue an deine Brust zu drücken wie ein geliebtes Kind - und willens zu sterben, um sie sich zu bewahren?«
    Ich fahre mit den Fingern durch den kühlen Sand. Kleine Muschelstückchen funkeln. »Ich wollte eigentlich nur wissen: Ist er ein Zauberer?«
    Die Schildpattpuppe seufzt. »Ich habe dir eben alles mitgeteilt, was du über Kupferkopf wissen musst - und du beschwerst dich.«
    »Alles mitgeteilt?« Ich werde rot. »Das habe ich nicht verstanden. Warum soll denn jemand sterben wollen, um seine Qualen zu bewahren?«
    Die Schildpattpuppe flüstert mit unschuldiger Kleinmädchenstimme: »Wenn die Qualen das Einzige sind, was dir noch bleibt, Teichläufer, dann wagst du es nicht, sie aufzugeben. Sonst hättest du nämlich gar nichts mehr.«
    Die Schildpattpuppe wirft sich in die Luft und fliegt zu den Sternen. Sie hinterlässt eine fast unsichtbare, glitzernde Spur auf ihrer Bahn, Schleife auf Schleife, Kreis auf Kreis …
    Maulbeere kauerte mit dem Krieger Eistaucher zusammen im Wald und beobachtete den schlafenden Blitzjünger, dessen Gesicht so weiß war, dass es im Dunkel zu leuchten schien. Sein Haar stammte sicher von Schwester Mond persönlich - wie aus mondbeschienenem Dunst gewoben.
    »Sollen wir ihn gefangen nehmen?« fragte Eistaucher leise. Er war groß und schlank, hatte ein eckiges Kinn und kleine schwarze Augen. Er trug nur einen Lendenschurz.
    Maulbeere ließ den Palmwedel los,

Weitere Kostenlose Bücher