Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
letztes Opfer nicht so vergafft in dich ist wie das vorige.
Meerufer hätte mich angefallen wie ein Hund, wenn ich ihn so angeredet hätte.«
Schwarzer Regen rutschte herum und sah ihrem Gegenspieler auf Knien zu, wie er die Knöchelchen schüttelte, bevor er sie warf. »Meerufer war ein Idiot«, entgegnete sie.
»Da hast du vielleicht Recht«, sagte Westwind. »Ich hab gehört, als du seine letzte Schneckenmuschel verspielt und ihn dann frech und unbekümmert verlassen hast, da ist er in den Wald gegangen und hat sich die Kehle durchgeschnitten. Nur ein Dummkopf würde sich wegen einer Frau das Leben nehmen.« Er streckte eine Hand aus. »Und dazu noch wegen so einer!«
Die Männer im Kreis schütteten sich aus vor Lachen und schlugen sich auf die Schenkel. Kahlhecht, der links von Schwarzer Regen saß, biss die Zähne zusammen und starrte zu Boden - mit einem Blick, den Biberpfote schon oft gesehen hatte. So sah er drein, wenn er kurz davor war, aufzuspringen und den nächstbesten Mann mit seinem Speer zu durchbohren, um sich von seiner Scham zu befreien.
Der Gegenspieler von Schwarzer Regen machte seinen Wurf; die drei Knöchelchen landeten in der richtigen Lage, und mit schrillem Schrei stürzte sie sich auf seine Kehle und riss ihm die rechte Wange auf, bevor er sie ungestüm in die Arme von Kahlhecht zurückstieß.
»Mach das noch einmal, Frau!« sagte er und wischte sich das über das Kinn rinnende Blut ab. »Und ich schleppe dich in den Wald und hol mir das Schmerzensgeld selber aus deinem hübschen Fell.«
Verführerisch lächelnd beugte sie sich zu ihm und lockte ihn mit schmollendem Mund: »Gibst du mir zwei Feuerstein-Speerspitzen, wenn ich dich an mich ranlasse? Ich kann einen Mann so gut behandeln, dass du denkst, ich hätte noch eine dritte Hand. Ein besseres Geschäft machst du nie! Frag jeden von denen hier. Die sagen dir schon, dass ich -«
»Schwarzer Regen!« brüllte Biberpfote und trat aus dem Schatten. »Steh auf! Sofort! Wir gehen jetzt!
Jetzt!«
Sie schaute nicht einmal auf. Sie sammelte die Knöchelchen ein und sagte: »Wenn du willst, kannst du ja gehen. Ich spiele weiter.« Mit einer schnippischen Handbewegung setzte sie hinzu: »Du fängst an, mich zu langweilen, Biberpfote. Du wirst immer verdrießlicher. Geh schon vor und such deine Decken. Ich komme später nach.« Dann wandte sie sich an Kahlhecht und strich ihm an Wange und Kinn entlang. »Du hast doch gestern einen Steinschaber benutzt?« fragte sie. »Wo hast du ihn? Ich will ihn haben.«
Gehorsam stand Kahlhecht auf, ging an Biberpfote vorbei in den Wald. Er nahm seinen Beutel auf und kehrte mit dem Schaber zurück. Schwarzer Regen belohnte ihn mit einem Kuss, und Kahlhecht setzte sich wieder eifrig neben sie. Biberpfote fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. Sie fing an, die Knöchelchen zu schütteln.
Westwind blickte von Kahlhecht zu Biberpfote, dessen verzogener Mund seine Abneigung verriet. Er hielt sie beide für Narren, das war unverkennbar. »Sag mal«, sprach er Biberpfote an, »Schwarzer Regen hat mir erzählt, du warst der Kommandant vom Kernholz-Clan. Kennst du Muschelweiß? Hast du vom letzten Überfall von Kupferkopf gehört?«
Biberpfote erstarrte. Blitzartig sah er die Gesichter seiner Kinder vor sich. Er kam näher. »Was für ein Überfall? Auf Kernholz-Dorf?«
»Nein. Auf das Dorf von Muschelweiß. Windeck. Ein Krieger, der um sein Leben rannte, kam gestern hier durch. Er sagte, Kupferkopf hätte zweimal zehn Krieger ausgeschickt, um Windeck-Dorf ein für alle Mal auszulöschen. Er hatte ihnen versprochen, dass Muschelweiß nicht dort sei, aber als sie da waren, sah alles ganz anders aus. Sie fuhr durch sie hindurch wie ein Speer durch Bärenfett.«
Westwinds Augen funkelten vor Begeisterung. »Der Krieger behauptete, sie habe allein acht Mann getötet.«
»Acht?«
»Das meinte er, und er hatte keinen Grund zu lügen. Je mehr es waren, umso größer die Schande für ihn und den Clan vom Stehenden Hörn. Und deswegen glaube ich, waren es noch mehr. Muschelweiß kann neun oder zehn Mann erledigt haben.«
Biberpfote ballte die Fäuste. »Heilige Geister! Und was ist mit dem Blitzjünger? Hat er überlebt?«
Westwind hob eine Schulter, und sein Blick glitt zum angespannten Gesicht von Schwarzer Regen.
»So lange ist der Krieger nicht geblieben, das weiß er nicht. Er hat nur den Blitzjünger aus den Bäumen kommen sehen, sagt er, und das hat ihm genügt. Er ist gerannt wie ein Dachs in
Weitere Kostenlose Bücher