Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Zähne, »ich -«
»Du hast vor, den Leichnam deines Vaters entführen zu lassen, stimmt's?«
»Was?« stieß Schlangenhaupt hervor.
»Das macht dich doch zum großen Mann bei Krähenbarts Feinden, oder?« Düne starrte ihn böse an. »Mit wem willst du ein Bündnis eingehen ? Sicher nicht mit den Turmbauern. Die hätten dir nichts zu bieten außer schimmeligen Piniennußkuchen und häßliche Tontöpfe. Die Feuerhunde der Mogollon? Na ja, das wäre eine Möglichkeit für einen Verräter.«
»Du hast den Verstand verloren, alter Mann!« Schlangenhaupts Halsadern schwollen an, und seine Finger zuckten, als wollte er gleich den heiligen Heimatlosen erwürgen.
Eisenholz lief es kalt über den Rücken. Konnte das wahr sein? Die Mogollon verachteten das Volk des Rechten Wegs, obwohl sie über neutrale Händler Güter mit ihnen tauschten. Aus welchem Grund könnte sich Schlangenhaupt wünschen, eine Beziehung mit einem derart anmaßenden Räubervolk anzuknüpfen? Man durfte ihnen nicht vertrauen. Und sollte das Bündnis zerbrechen - was mit Sicherheit geschehen würde -, hatten sie genug kaltblütige Krieger, um den Vorfall zum Anlaß zu nehmen, einen bedingungslosen Krieg vom Zaun zu brechen. Als Schlangenhaupt Eisenholz' leichenblasses Gesicht in der Tür sah, ließ er die Arme fallen. Er fragte: »Du glaubst das doch nicht etwa, oder? Es ist absolut lächerlich. Diese Kerle sind unsere Feinde. Ich würde niemals -« »Es wäre auch höchst gefährlich, Schlangenhaupt.« Eisenholz warf den roten Umhang über die Schulter. »Im Augenblick haben wir eine ziemlich unsichere stillschweigende Übereinkunft mit den Feuerhunden. Wir überfallen uns gegenseitig, nehmen Sklaven gefangen, stören Verbindungen und Handel des andern, aber keiner von uns wünscht sich einen richtigen Krieg - und solch ein Bündnis würde unweigerlich -«
»Ich will keinen Krieg!«
Eisenholz senkte bedauernd den Kopf. »Dessen bin ich sicher. Verzeih, daß ich mich eingemischt habe.«
Er verbeugte sich und ging zur Tür. Er lehnte sich mit der Schulter dagegen und beobachtete den Sturm. Die Unterseiten der Wolken leuchteten silbern. Er betrachtete sie und wunderte sich. Düne sagte nie etwas ohne Grund. Was hatte er bezweckt?
»Düne«, begann Schlangenhaupt von neuem, diesmal ganz vernünftig. »Was kann ich dir geben, damit du mir erlaubst, den Leichnam meines Vaters unbeschädigt zur Buckelkuppe zu bringen.« »Nichts.«
»Nichts?«
»Nein.«
»Nicht einmal ein Dutzend schöner Sklavinnen? Vielleicht einhundert Körbe voller Juwelen - Türkise, Jett, Malachit, Korallen?«
»Und ganz besonders keine Juwelen.«
Schlangenhaupt hob beschwichtigend die Arme. Sein Haar schimmerte blauschwarz im Licht. »Sag mir, was du willst, und ich werde es dir beschaffen. Nenn mir einfach deinen Preis.« Die Augen Dünes verengten sich. »Und woher willst du die wertvollen Sachen nehmen? Dir gehört nichts. Du hast deine Mutter eingesperrt, und damit hast du ihr das Recht genommen, Krähenbarts magere Habe zu verteilen. Folglich hat Wolkenspiel jetzt diese Pflicht. Aber wenn sie dir nichts gibt, um mich zu bestechen, bist du nicht mal meine Zeit wert, Schlangenhaupt.«
»Düne, das ist doch dumm -«
»Nein, du bist dumm. Ich werde mein Versprechen deinem Vater gegenüber halten, Junge.« Schlangenhaupt ließ die Arme sinken. »Also ist mein Vater verdammt.«
»Dein Vater ist gerettet.«
»Seine Seele wird ziellos wandern -«
»Seine Seele wird befreit sein.«
»Aber Düne, du -«
»Genug!«
»Düne, ich bin die Gesegnete -«
»Willst du mir ernstlich widersprechen, Schlangenhaupt?« Dünes Augen funkelten bedrohlich. Nur einen Wimpernschlag lang starrte Schlangenhaupt ihn feindselig an; dann schluckte er und wandte sich ab.
Das Feuer in Dünes trüben Augen erlosch. Er zog die abfallenden Schultern zusammen. Langsam, als ob jeder Schritt ihn schmerzte, humpelte er zu Krähenbart, sank neben ihm zu Boden und starrte in sein ausgemergeltes Gesicht.
»Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen«, verkündete Schlangenhaupt, als er aus dem Raum stolzierte, ohne Eisenholz eines Blickes zu würdigen. Geduckt ging er durch die Tür, schaute finster in den Regen und kletterte die Leiter zum vierten Geschoß hinunter.
Eisenholz sah auf den Regen, der auf die Dächer klopfte und die nasse Plaza berieselte, wo die Sklaven vor ihrem fauchenden Feuer saßen. Das wohltönende Gewisper von Regentropfen erfüllte die Nacht, und der Wind
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