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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sich wieder zurückfallen, an die Wand gelehnt, senkte den Kopf und zupfte an den Decken.
    Eisenholz setzte sich mit untergeschlagenen Beinen vor ihr zurecht, seine Knie weniger als eine Handbreit von ihren Sandalen entfernt. So nahe waren sie sich in vielen Sommern nicht gewesen. »Nachtsonne, du warst alles, was ich mir je gewünscht habe - du hast mir alles bedeutet. Aber ich kenne dich gut, liebe Freundin. Lange bevor du es mir sagtest, hatte ich erkannt, daß ich dich verloren hatte. Das kleine Mädchen war das einzige, was von ›uns‹ übrig war. Ich konnte nicht riskieren, daß Krähenbart vielleicht unsere Tochter tötet.«
    Er schaute düster auf die Nässe, die auf der Wand zu seiner Linken hinunterlief. Seine Schultermuskeln verkrampften sich unter der Anspannung und schwollen unter dem dünnen roten Hemd an.
    Nachtsonne starrte ihn an.
    Und auch er sah sie unverwandt an - bittend.
    Nachtsonne versuchte zu schlucken, aber es war schmerzhaft. »Eisenholz, reich mir bitte den Wasserkrug.«
    Er holte ihn aus seinem Bündel, zog den hölzernen Stöpsel heraus und gab ihn ihr. Die schwarzweißen Blitzspiralen, die die Unterseite verzierten, schimmerten im Sternenlicht.
    Nachtsonne nahm einen großen Schluck und dann noch einen. Das kalte Wasser schmeckte nach Erde. Sie lehnte sich zurück und trank noch mehr. Sie lebt - nach so vielen Jahren des Trauerns. »Weiß sie … von mir? Ich meine, daß ich ihre Mutter bin?«
    »Es war besser, daß sie nichts wußte, weder von dir noch von mir. Soviel ich weiß, glaubt sie, daß die Leute, bei denen sie aufgewachsen ist, ihre Eltern sind.«
    »Kannst du… ?« Nachtsonne setzte den Krug auf dem Boden ab. »Eisenholz, ich muß dich um einen Gefallen bitten.«
    »Und?«
    »In meiner Privatkammer steht ein blau-weißer Korb. Mit Sachen, die mir lieb und wert sind. Sprich bitte mit Wolkenspiel. Erkläre ihr, daß ich alle diese Sachen gleichmäßig aufteilen will zwischen ihr und…« Sie blinzelte. »Wie heißt unsere Tochter?«
    »Maisfaser.«
    »Maisfaser.« Sie kostete den Namen auf ihrer Zunge aus. Meine
    Tochter… »Zwischen ihr und Maisfaser. Und natürlich muß der Grund und Boden aufgeteilt werden. Den Rest überlasse ich Wolkenspiel, sie ist großzügig und freundlich. Sie wird wissen, was damit zu tun ist.«
    Bei ihrem resignierten Ton biß Eisenholz die Zähne zusammen. »Gibst du so schnell auf? Ohne zu kämpfen? Ich habe einen Plan, Nachtsonne. Wir wollen überlegen, wie -«
    »Warte!« unterbrach sie ihn. Widerwillig schwieg er und lehnte sich erwartungsvoll zurück. »Du weißt genausogut wie ich - das Kind beweist, daß ich die Gesegnete Sonne betrogen habe.« »Ja, aber -« Eisenholz wollte ihre Schulter berühren.
    »Nein, faß mich nicht an! Mach es mir nicht schwerer, als es schon ist. Ich … brauche von dir … keine Hoffnung. Was ich brauche, ist dein Versprechen!«
    Seine Hand verhielt einen Augenblick lang in der Luft, bis er sie fallen ließ. »Ich werde mit Wolkenspiel sprechen.«
    Nachtsonne sah, wie er litt. »Es tut mir leid, Eisenholz. Ich bin verwirrt und ängstlich. Ich weiß nicht, was ich sage.«
    »Ich weiß.«
    »Aber ich danke dir, daß du bereit bist, mit Wolkenspiel zu sprechen. Und jetzt… solltest du gehen. Du bist schon zu lange hier gewesen. Selbst dein treuer Blaumais könnte argwöhnisch werden.« Eisenholz stand auf und schaute mit hängenden Armen auf sie hinab. Das Sternenlicht verschattete die Falten in seinem Gesicht. »Bevor ich gehe, möchte ich dich noch um etwas bitten, Nachtsonne.« Sie schaute auf. »Um was?«
    Sein Türkis-Anhänger blitzte auf, als er Atem holte. »Versprich mir…« Er machte eine Pause, nach den richtigen Worten suchend. »Versprich mir, daß du sie mir nicht wegnehmen willst. Du hast so viel gehabt, Nachtsonne, und ich habe so wenig gehabt. Ich brauche meine Tochter.«
    Aufrecht stand er, mit glänzendem graumeliertem Haar, zwischen den silbern schimmernden Wänden und den leuchtenden Sternen; da begriff sie, wie sehr er seit fast sechzehn Sommern gelitten haben mußte; er wußte, er hatte ein Kind, und er sehnte sich danach, es in seinen Armen zu halten - und das war ihm niemals vergönnt gewesen. Das kleine Mädchen mußte in seinem Herzen und in seiner Vorstellung aufgewachsen sein, während sie für Nachtsonne gar nicht existierte.
    »Ich werde alles tun, was du wünschst, Eisenholz.«
    »Ich danke dir, Gesegnete Nachtsonne.«
    Er drehte sich um und kletterte die Leiter hinauf. Er schob

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