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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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die Dachbedeckung zurück, ließ aber einen Spalt offen. Nachtsonne starrte auf die Sterne, deren Licht auf die gegenüberliegende Wand fiel wie ein schmaler Streifen von blau-weißer Farbe.
    Er sprach leise mit Blaumais. Dann verklangen seine Schritte.
    Sie lehnte den Kopf an die Wand und atmete schwer.

    Es fiel ein warmer Regen.
    Eisenholz zog seinen roten Baumwollumhang am Hals zusammen und hob sein Gesicht dem Regen entgegen. Er kroch in seinen alten vertrauten Zufluchtsort außerhalb der Kammer des toten Häuptlings, wo er sich in vielen Sommern einen Hohlraum in der sonnengehärteten verputzten Lehmwand geschaffen hatte. Er hatte Nachtsonne gesehen, und das Herz wurde ihm schwer. Er konnte sie nicht aus seinen Gedanken verdrängen. Er mußte etwas unternehmen, aber er wußte nicht, was. Manche Krieger gehorchten ihm zwar noch, aber er hatte im Grunde hier keine Macht mehr. Nicht mehr.
    Silbrige Dunstschleier schwebten über Krallenstadt und verschoben und verwirbelten sich im Wind. Sie fesselten die Aufmerksamkeit von Eisenholz. Wenn es in der Zeit des Wachstums doch nur so regnete, dann würden vielleicht einige der Spannungen nachlassen. In etwas mehr als einem Mond würden die Leute des Rechten Wegs Mais, Bohnen und Kürbis pflanzen, je nach der Sonnenbeobachtung von Nordlicht. Er betete zu den Thlatsinas, sie möchten ihnen dann Regen schicken.
    In der Kammer sprachen Düne und Schlangenhaupt miteinander, leise und angespannt. Den ganzen Tag lang hatten sie schon über Krähenbarts Leiche hinweg gestritten, und Eisenholz hatte keine Lust mehr zuzuhören. Er war hier, weil Düne ihn gebeten hatte, Wache zu halten, und Schlangenhaupt hatte zugestimmt - aber nur bis zur Rückkehr von Spannerraupe.
    Der Windjunge fuhr unter den Baumwollumhang und ließ ihn um Eisenholz' Schultern flattern wie rote Schwingen. Eisenholz zog ihn wieder fest um sich. Vor langer Zeit war der Windjunge sein Schutz-Geist gewesen, aber nun hatte er seit vielen Sommern das Gewisper im Wind nicht mehr vernommen. Mit leiser Stimme, unhörbar für die in der Kammer, sagte er:
    »Ich brauche dich, Schutzgeist. Komm. Sprich zu mir. Rate mir. Ich bitte dich.«
    Am stürmischen Himmel grollten die hochschießenden Donnervögel und sprangen von Wolke zu Wolke. Blitze flammten auf, und Eisenholz sah eine Gruppe von Sklaven zusammengekauert auf der Plaza, fünf Geschosse tiefer. Normalerweise hatten sich alle Sklaven bei Einbruch der Dunkelheit in den runden fensterlosen Kammern am Rand der Plaza aufzuhalten. Wurde einer von ihnen bei Nacht draußen gefaßt, ohne die Erlaubnis eines Clan-Führers oder eines Mannes der Ersten Menschen zu haben, machte er sich damit eines todeswürdigen Verbrechens schuldig. Schlangenhaupt mußte dieser Gruppe einen besonderen Auftrag erteilt haben. Sie saßen im Kreis um ein kleines Feuer, Decken über ihren Köpfen.
    Eisenholz fragte sich, worüber sie sprachen. Von ihrem Leben wußte er so wenig. Bei Überfällen fingen sich die Krieger Sklaven. Es war eine Siegesbeute, und die Krieger durften so viele behalten, wie sie beaufsichtigen konnten, obwohl sie zumeist an die Ersten Menschen abgegeben wurden. Als Gegenwert erhielten die Krieger den Segen der Götter und erschmeichelten sich zugleich die eher weltliche Gunst ihrer Herrschenden.
    Fast nie sprachen Sklaven eine zivilisierte Sprache, und sie beteten fremde Götter an. Eisenholz hatte einmal an die dreißig Sklaven besessen, dann allerdings festgestellt, daß die Kosten, sie zu nähren, zu kleiden und zu beaufsichtigen, in keinem Verhältnis zu dem gewonnenen Prestige standen. Und, um ehrlich zu sein: In seinem Herzen erschien ihm die Sklaverei immer unerträglicher, je älter er wurde. Oft hörte er kleine Kinder in ihren Kammern weinen, und er brauchte keine Erklärung, um zu wissen, daß sie sich nach ihrer Heimat und ihren verlorenen Familien sehnten. Aber aus Gründen der Ehre nahm er immer noch Sklaven, verkaufte sie jedoch alle, um für Maisfasers Schutz zahlen zu können. Er blickte hinab auf den Käfig, in dem Nachtsonne gefangen saß. Die Sklaven verehrten sie. Einmal in einem Sonnenkreis, meist während der Feiertage des Sommers, ließ sie ihre treueste Sklavin frei und schickte sie mit einem Bündel voller Reichtümer nach Hause. Wolkenspiel hatte es ihr immer gleichgetan. Für die Gefangenen waren sie Heldinnen. Aber es machte Schlangenhaupt wütend. Krähenbart hatte sich offenbar nie darum gekümmert, aber bei jeder Sonnenwendfeier stapfte

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