Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Kreosot und Asche überzogen. Neben der Tür sah sie einen Maismahlstein, einen Wasserkrug und ein paar unverzierte Töpfe. Vor ihr rechts in der Ecke lehnten fünf abgenutzte Körbe an der Wand. Nicht einmal eine dünne Schlafmatte befand sich unter der grauen Decke, die direkt auf dem kalten Boden lag.
»Heilige Ahnen«, murmelte sie. »Ich hätte nie gedacht, daß ein großer Sänger wie Düne so arm sein kann.«
»Er ist ein sehr heiliger Mann. Was er bekommt, gibt er gleich weg.« Der Junge nahm die Feuersteine und schlug sie über der Rinde zusammen. Sie gaben Funken, aber nichts geschah. Er schlug immer weiter und murmelte dabei, und nach zehn oder zwölf Versuchen sagte er: »Dieses Feuerloch haßt mich! Ich weiß nicht, was ich getan habe, aber -«
»Laß mich mal«, sagte Maisfaser. »Du bist geschwächt.« Er glitt zur Seite und gab ihr die Feuersteine. Maisfaser kniete sich hin, streifte ihr Bündel ab und zog ein kleines Büschel aus der Baumwolle, die ihr noch übriggeblieben war. Das schob sie in die Mitte der zerkleinerten Rinde.
»Während ich Feuer mache, füllst du den Kochtopf mit Wasser und bringst das Dreibein her.« »Das kann ich«, sagte er. »Der Kochtopf haßt mich nicht.« Er ging zur Tür, wo der Wasserkrug stand, und sie hörte das Wasser gurgeln, als er es in den Topf goß.
Maisfaser hielt die Steine dicht über der Baumwolle und schlug sie mehrmals aneinander. Funken flogen, und die versengte Baumwolle bekam ein winziges rotes Auge. Maisfaser blies vorsichtig. Der Funke wurde heller, erzeugte Rauch, und schließlich erwachte das Feuer zum Leben. Die Flammen leckten sich gierig durch die Rindenstückchen; sie blies weiter, bis die Reiser Feuer fingen, und legte größere Holzstücke aus dem Holzhaufen nach.
»Das Feuerloch liebt dich.« Er lächelte, kniete sich neben Maisfaser und stellte das Dreibein mit dem Wassertopf direkt über das Feuer. Ihm zitterten die Knie, als er sich wieder setzte. »Verzeih bitte, ich hab nicht gewußt, wie schwach -«
»Ruh dich aus«, sagte sie. »Ich mache uns Abendessen und Tee. Wo sind die Tassen und Schalen?« »Drüben, neben der Tür. Düne stellt die kleineren Tassen und mittelgroßen Schalen in die größeren hinein. Nimm die oberste Schale ab, und dann findest du alles, was du brauchst.«
Der starke Geruch brennenden Wacholderholzes umfing sie, als sie aufstand und zu den Töpfen ging. Sie holte Tassen, Schalen, zwei Hornlöffel hervor und untersuchte dann die grobe Töpferware. Sie war unverziert und rot; die Töpferin hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Wulstmarken glatt zu verstreichen. Wenn eine Töpferin ans Werk ging, rollte sie lange Schlangen aus Ton aus, die sie spiralig übereinanderlegte, bis die Grundform des Topfes fertig war. Dann glättete sie mit einem Stück Holz oder einem Stein die Oberfläche, so daß die Wülste verschwanden und der Topf verziert werden konnte. Aber diese Töpferin hier hatte sich nicht viel Mühe gegeben.
»Behält Düne nur das Schlechteste von allem?« fragte sie.
»O ja. Er verteilt den Rest seiner Habe an die Bedürftigen.«
Maisfaser neigte den Kopf neugierig; sie hob den Deckel vom Vorratstopf und prüfte den Inhalt. Blaues Maismehl. Gut. Das würde den Klößen, die sie machen wollte, die richtige Süße geben. Ein anderer Topf enthielt Asche der Melde, dadurch ging der Teig auf. Sie trug die Töpfe zum Feuer, zusammen mit den Tassen und Schalen.
Der junge Mann beobachtete sie unverwandt und voller Spannung, als sähe er durch sie hindurch. Sie knirschte ein paarmal mit den Zähnen und fragte dann: »Stört dich etwas?«
»Weißt du genau, daß ich dich nicht kenne? Ich könnte schwören, daß ich dich schon einmal gesehen habe. Wie heißt du?«
Maisfaser zögerte. Vertraue keinem! »Ich heiße… Spinnenseide. Aber alle nennen mich einfach Seide.«
»Ich bin Sängerling.«
Sie rümpfte angewidert die Nase. »Du studierst hier, um einmal ein Sänger zu werden … und dann hast du so einen Namen ? Ich wette, du wartest nur auf den Tag, an dem dir Düne einen neuen Namen gibt.«
»Das ist mein neuer Name.«
Maisfaser legte teilnahmsvoll den Kopf schräg und stocherte mit einem Stock aus dem Holzhaufen im Feuer, um es anzufachen. »Vielleicht glaubt Düne, daß dir eine Bestrafung guttut.« »Aber ich weiß nicht, weswegen ich bestraft werden sollte.«
»Vielleicht ist es etwas, was du eben nicht getan hast.«
Sängerling streckte seinen nackten Körper auf dem Boden aus,
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