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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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spitzes Kinn spülen. »Das tut mir so leid, ich kann es dir gar nicht sagen.«
    »Ich mache dir statt dessen eine Salbe aus Feigenbrei. Die hält nicht so lange, aber sie lindert den Schmerz auch. Hat der alte Düne einen Vorrat an Geistkräutern? Rotampferwurzel, die würde wirklich helfen.«
    »Ein paar Kräuter hängen zwischen Mais, Bohnen und Kürbis. Vielleicht hängen da auch ein paar Rotampferwurzeln, ich weiß es nicht.« Sängerling seufzte gequält auf. »Wie wirkt die Wurzel?« »Sie reinigt und beschleunigt die Heilung.«
    Er drehte sich zu ihr um. »Wieso weißt du soviel über Pflanzen?«
    Sie blickten sich in die Augen. Ein paar Augenblicke lang konnte sie nicht sprechen. »Meine - meine Mutter war eine Heilerin. Sie hat es mir beigebracht.«
    Ihre Augen trübten sich. Er murmelte: »Tut mir leid, Seide. Wenn du mir einen oder zwei Tage Zeit läßt, dann gehe ich mit dir zum Schildkrötendorf. Da finden wir deine Familie und kümmern uns um sie, das verspreche ich dir.«
    Sie senkte den Kopf.
    Wie würde er sich verhalten, wenn sie gar nicht nach Schildkrötendorf gingen, sondern zum Lanzenblattdorf ? Würde er den Unterschied merken? Die meisten Clans kannten die ungefähre Lage anderer Dörfer.
    Sie erhob sich. »Während du im Wasser liegst, suche ich Blattpolster von Feigenkakteen. Wenn ich deinen Sonnenbrand behandelt habe, mache ich uns Frühstück. Wie fühlst du dich heute? Nach dem Essen von gestern abend?«
    Er lächelte schwach. »Meine Seele schwebt noch, aber ich habe wieder ein Bein auf der Erde.« »Bist du froh darüber?«
    Sängerling veränderte seine Lage, und wellige Haarlocken schlängelten sich über seine knochige Brust. »Sonderbar, daß du danach fragst. Nein. Nicht ganz. Ich habe mich noch nie so frei in meinem Leben gefühlt wie in dem letzten Viertelmond. Der Hunger läutert die Seele und befreit sie aus dem Käfig des Körpers. Aber warum fragst du?«
    Maisfaser hob eine Schulter. Das Lächeln ihrer Mutter, die Zärtlichkeit ihrer Berührung… »Meine Mutter hat immer gefastet, bevor sie jemanden heilte. Wenn der Patient wirklich krank war, hat sie acht Tage lang keine Nahrung zu sich genommen, zweimal die heilige Zahl vier. Und nach der Behandlung kam sie nach Hause und aß einen einzigen Blaumais-Kloß. Dann schlief sie einen ganzen Tag. Wenn sie aufwachte, sagte sie, daß sie immer sehr traurig sei, denn ihre Seele habe die Schwingen verloren.«
    Sängerling atmete aus, und dieser Luftzug sandte silberne Wellenlinien über das Wasserloch, deren Spiegelung auf dem roten Fels einen ätherischen Tanz vollzog. Er nickte. »Jetzt weiß ich jedenfalls, daß meine Seele Schwingen hat. Das wußte ich nicht. Obwohl ich's geglaubt habe.« Er lächelte. »Ich hab geglaubt, ich wüßte so vieles.«
    Maisfaser nahm das Messer aus dem Gürtel, ergriff einen Pfeil und machte sich in den Büschen um das Wasserloch herum auf die Suche nach Feigenkakteen. »Und jetzt weißt du nicht mehr soviel?« Sie kniete nieder, sagte ein leises Gebet und bat den Kaktus um Verzeihung; er möge ihr erlauben, ein paar seiner Blattpolster zu benutzen, um dem armen Sängerling zu helfen. Sie wartete, bis sie die Zustimmung des Kaktus spürte, und schnitt behutsam ein saftiges Blattpolster ab. Lange, spitze Stacheln ragten aus dem Kaktus hervor, die sie mit dem Pfeil entfernte.
    »Ich weiß gar nichts, Seide. Ich glaube, ich habe nie etwas gewußt.« Sängerling planschte im Wasser. Kreise zogen wieder in alle Richtungen und schmolzen an der steinernen Umwallung. Grüne Lichtpunkte huschten über die Oberfläche.
    Maisfaser säbelte ein weiteres Kaktuskissen ab. »Glaubst du nicht, daß jeder neue Sänger so empfindet?«
    »Wenn Düne hier wäre, könnte ich ihn fragen. Aber so kann ich nur raten. Es ist sehr entmutigend.« Maisfaser ging zum nächsten Kaktus und wiederholte ihr Gebet. Man durfte nicht zu viele Blattpolster von derselben Pflanze abschneiden, sonst würde der Geist der Pflanze zornig; gerade Feigenkakteen standen in dem üblen Ruf, Menschen mit der Krankheit der knotigen Gelenke zu plagen. Als sie merkte, daß der Kaktus einverstanden war, beschnitt sie ihn sorgsam.
    »Hast du nicht das gleiche bei deiner Kiva-Einweihung gespürt?« Viele junge Männer flüsterten darüber, aber sie wußte davon nur wenig. Das war nichts für unverheiratete Frauen. Die hatten ihre eigenen Riten und Kiva-Zeremonien. »Ich habe gehört, daß die Reise zur Ersten Unterwelt die jungen Männer sehr demütig

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