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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Rücken von Spannerraupe. Der Kriegshäuptling hatte seine Stirn gegen die von Wolkenspiel gepreßt. Der Morgenwind fing trauervolle Laute auf. Stechmücke betete, daß keiner der Krieger sie hörte. Wenn ein Kriegshäuptling Schwäche zeigte, schwächte das jeden einzelnen in seiner Nähe. Stechmücke konnte sich nicht erinnern, daß Eisenholz in den vergangenen zwanzig Sonnenkreisen jemals zusammengebrochen wäre; er war immer der Fels gewesen, an dem sich die Männer aufrichten und, wenn nötig, die ganze Welt bekriegen konnten.
    Stechmücke begab sich wieder auf den Pfad und schlängelte sich durch verwilderte Grasflächen. Vielleicht blieb Spannerraupe nicht sehr lange Kriegshäuptling. Müßig ging Stechmücke die Namen der Männer durch, die an seine Stelle treten könnten. Verhüllt-Seinen-Schwanz wäre der Nächste gewesen, dann Fichtenzapfen, der aber seit einem halben Mond vermißt wurde. Man hielt ihn für tot. Stechmücke überschaute den Pfad und behielt die anderen Krieger im Auge.
    Vielleicht, wenn er auf der Hut war, hätte er sogar selbst noch eine Chance.

26. K APITEL
    Sängerling und Seide marschierten westwärts über welliges Land und suchten die Gräben nach den ersten zarten Blättchen wilder Zwiebeln ab. Die Höcker rotbrauner Erde waren mit grünem Gras bewachsen, und die goldenen Garben vom Fuchsschwanzgras des letzten Sommers standen herum. Sängerling zählte zwölf steile Felsspitzen in der Ferne. Verkrümmt und ausgezackt ragten sie hoch wie warnende knotige Finger. Fern im Norden hingen die zerklüfteten Gipfel der Geisterberge über der Wüste, auf einer heißen Luftströmung schwebend.
    Sängerling schwenkte seinen halbvollen Korb. Der würzige Zwiebelgeruch stieg ihm in die Nase. Nach dem Fasten war er offenbar unersättlich. Im Morgengrauen hatten sie zusammen ein kräftiges Frühstück zu sich genommen, aber jetzt erinnerte ihn sein Magen nachdrücklich daran, daß Vater Sonne schon längst den Mittagspunkt überquert hatte. »Seide?« rief er. Sie lief ihm voraus, ihr loses langes Haar schimmerte blauschwarz. »Ich habe Hunger.«
    »Ich auch.« Sie blieb stehen und wartete auf ihn.
    Sie trug ein hellgrünes Kleid, das ihren schlanken Körper eng umschloß und ihren goldenen Teint hervorhob. Kleine Schweißtröpfchen standen auf ihrer spitzen Nase und den breiten Backenknochen. Hätten die großen dunklen Augen nicht ihre Verzweiflung verraten, wäre sie von atemberaubender Schönheit gewesen; aber Hoffnungslosigkeit und Trauer waren dauernd, wie Tränen, gleich unter der Oberfläche.
    Sängerling holte sie trabend ein. »Wie viele hast du?« Er schwenkte seinen Korb herum und stellte ihn neben den ihren. »Du hast ja mehr als ich. Wie machst du das ? Wir haben doch an denselben Stellen nachgesehen.« Hatte er tatsächlich so viele gegessen?
    Seide schob sich die Haare hinter die Ohren. Im Profil wirkte sie noch zerbrechlicher und graziöser. »Ich weiß, wo sie wachsen. Meine … meine Mutter hat es mir gezeigt.«
    Er hörte den Kummer in ihrer Stimme, und das Herz wurde ihm schwer. »Ich weiß vieles über Tiere, aber nicht viel über Pflanzen. Ich habe, glaube ich, mein Leben lang nur immer darauf hingearbeitet, ein Sänger zu werden. Kein Farmer. Aber wenn ich einmal Menschen heilen soll, dann muß ich mehr über Wildpflanzen wissen. Willst du es mir beibringen, Seide?«
    Plötzlich lächelte sie. »Das wäre mir ein Vergnügen.« Sie stiegen zu einer Niederung hinab, in der neben grasbewachsenen Stellen Feigenkakteen und eine Gruppe kümmerlicher Wacholderbäume standen.
    Seide schaute zur Seite und blieb stehen. »Einen Augenblick, Sängerling. Hier gibt's noch viele Zwiebeln. Ich will sie uns holen, aber das werden dann die letzten sein, das verspreche ich.« Sie kniete nieder, nahm den feuergehärteten Grabstock aus dem Korb und grub ihn unter die köstlichen Wurzeln. Als sie den Stock hochhebelte, kamen weiße Knollen zum Vorschein. Mit ihren geschickten braunen Fingern pflückte sie die Knollen aus der trockenen grauen Erde. Sängerling ließ den Blick schweifen. Hoch über ihnen kreiste ein rotschwänziger Falke gemächlich auf der Warmluftströmung, die Flügel blitzten im Sonnenlicht. Seine rauhen Schreie durchbrachen die Stille. Das kleinere Männchen saß auf einer abgestorbenen Kiefer weiter vorn; es beobachtete das Weibchen eine Weile und erhob sich dann mit Anmut in die Lüfte, um sich mit lässigen Flügelschlägen zu ihr zu gesellen.
    »Ich liebe Falken«,

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