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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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nicht wieder bei Kräften. Sängerling fing an zu keuchen und verlangsamte sein Tempo. Das Fasten hatte all seine Reserven verbraucht. Seide eilte den Pfad hinunter und war am Haus, bevor der Mann den Fuß auf die Erde setzte. Sängerling kam unten an, stolpernd und nach Atem ringend, als der Mann von dem gewundenen Weg durch die Büsche kam.
    »Paß auf«, sagte Seide. »Gib mir deinen Zwiebelkorb, Sängerling. Ich nehme ihn mit hinein und fange schon mit dem Abendessen an. Was der Läufer auch zu sagen hat, wir müssen in jedem Fall heute abend essen.«
    »Ich danke dir.« Er nahm den Korb vom Arm und gab ihn ihr.
    Seide ging geduckt durch den schäbigen Türvorhang. Er hörte, wie sie die Körbe absetzte, und dann klapperten Töpfe.
    Der Mann kam aus den hohen Beifuß-Büschen nach vorn. Sängerling sah ihn jetzt deutlich. Roter Schmutz befleckte sein langes weißes Hemd. Er schien sogar noch jünger als Sängerling, etwa dreizehn bis vierzehn Sommer, war aber einen guten Kopf größer; er hatte ein Mondgesicht - seine Mutter war mit dem Wiegenbrett nicht sehr geschickt gewesen. Er hatte große schwarze Augen, von schwarzem Haar eingerahmt, das auf Höhe seiner muskulösen Schultern glatt abgeschnitten war. So wie er aussah, hatte er sicher viele Sommer lang schwer gearbeitet.
    »Einen guten Tag wünsche ich dir«, rief Sängerling, als der Jüngling näher kam. »Hast du Düne, den Heimatlosen, hier treffen wollen?«
    »Bist du Sängerling?«
    »Bin ich.« Eine Vorahnung beunruhigte ihn. »Was gibt's?« Der Junge hielt schwer atmend vor Sängerling an und beugte sich vor, um das kleine Bündel auf seinem Rücken in eine bessere Lage zu schieben. Der Schweiß ließ die Strähnen schwarzen Haares, die ihm bis zum Kinn hingen, matt erscheinen. »Ich bin Schwalbenschwanz … aus Krallenstadt. Der heilige Heimatlose bittet dich, ihm seine Bestattungskräuter und Geräte zu bringen, damit er sich um die Leiche des Häuptlings kümmern kann, wie es sich gehört.« »Die Gesegnete Sonne ist tot?« Schwalbenschwanz nickte. »Bis jetzt ja.« Sängerling kannte die Geschichten von Häuptling Krähenbarts Ausflügen ins Jenseits - immer, wenn alle Welt ihn tot glaubte, wachte er wieder auf. Kein Wunder, daß Schwalbenschwanz ausweichend geantwortet hatte.
    »Bestattungskräuter und Geräte? Ich weiß doch nicht, wo Düne seine -«
    »Ich soll dir vom Heimatlosen sagen, daß sein Ritualbündel in dem untersten Korb in der Ecke versteckt ist.«
    Seide kam geduckt durch den Vorhang und stand verlegen an der Tür. Sie sah den Jungen an. »Ich heiße Seide. Du sagst, du bist aus Krallenstadt?«
    »Ja.« Schwalbenschwanz war wieder zu Atem gekommen, und seine runden Backen verloren allmählich die hochrote Färbung. »Ich bin der Sklave des großen Sonnensehers Nordlicht.« Mit einem etwas gezwungenen Lächeln hielt sie dem Jungen den Türvorhang auf. »Komm rein. Ich habe heute morgen einen Topf Bohnen aufgesetzt und gerade frische Zwiebeln dazugetan. Wir haben noch etwas geröstetes Maisbrot von gestern übrig. Wir würden uns freuen, wenn du mit uns zu Abend ißt.«
    Der Junge grinste. »Vielen Dank. Mache ich gern. Dann muß ich gleich wieder gehen.« »Du bleibst nicht über Nacht?« fragte Seide. »Du mußt doch müde sein nach deinem Lauf.« Schwalbenschwanz nickte. »Bin ich auch, aber mein Herr hat mir befohlen, in sechs Tagen zurück zu sein. Bis hierher habe ich vier Tage gebraucht, also zwei Tage mehr als vorgesehen. Der Regen hat aus den Gräben Wildbäche gemacht, und ich habe weite Umwege laufen müssen, um sie zu überqueren.« »Aber warum mußt du pünktlich zurückkommen? Bei diesem Wetter würde doch jeder verstehen -« »Nein!« Schwalbenschwanz schüttelte heftig den Kopf. »Mein Herr würde es nicht verstehen. Solange ich weg bin, ist meine Mutter in der Sklavenkammer eingesperrt. Wenn ich nicht rechtzeitig zurückkomme, würde sie vielleicht getötet.«
    Sängerling zog die Brauen zusammen. Er hatte sich schon überlegt, warum ein plötzlich freigesetzter Sklave nicht geradewegs zu seinem eigenen Volk rannte. In den kleineren Dörfern gab es nur wenige Sklaven; sie wurden streng bewacht, durften niemals allein ausgehen, und nachts trennte man sie voneinander, damit sie sich nicht gegen ihre Herren verschwören konnten. Die Ersten Menschen von Krallenstadt hatten offenbar ein sehr wirksames Mittel gefunden, um sich des Gehorsams ihrer Sklaven zu versichern.
    »Also komm bitte herein und setz dich. Zuerst

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