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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Bewegung. »Leg ihn auf den Boden. Ich will ihn nicht anfassen, bevor er nicht völlig gereinigt ist.«
    Spannerraupe kniete nieder und legte den Kopf behutsam ab. Erinnerungen kamen ihm in den Sinn… glückliche Tage am Feuer von Palmlilie, wo der kleine Junge mit aufgerissenen Augen den Heldentaten der Krieger lauschte. Verzeih mir, mein Kleiner. Mein Fehler… alles mein Fehler. »Und was hat Palmlilie zu seinen Gunsten vorgebracht?« fragte Schlangenhaupt.
    Spannerraupe stand wieder auf. »Er behauptete bis zum letzten Augenblick, daß der Junge sein Sohn sei. Er -«
    »Das war ja zu erwarten«, unterbrach ihn Schlangenhaupt. »Ich nehme an, du hast es ihm heimgezahlt, daß er die Gesegnete Sonne getäuscht hat.« »Er ist tot. Ja.« »Und der Rest des Dorfes?« »Verbrannt. Ich habe keine Zeugen übriggelassen, jedenfalls keinen, den wir fangen konnten. Ein paar sind entflohen, aber nicht viele.«
    Schlangenhaupt lachte fröhlich. »Ich kann es kaum erwarten, daß meine Mutter die Neuigkeit erfährt. Vielleicht erzähle ich es ihr selbst, nur um ihr Gesicht zu sehen. Meinst du, sie hat wirklich geglaubt, sie könnte das Kind für immer verstecken?«
    Spannerraupe zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht sagen, mein Häuptling.«
    »Nun, dieser Verrat wird ihr auch heimgezahlt werden.« Schlangenhaupt verengte die Augen wie ein Falke, der dabei ist, seine Krallen in die Beute zu schlagen. Grimmig sah er auf den Kopf des Jungen hinab. »Ich werde dafür sorgen, daß sie für diesen Frevel mit dem Tode büßt.«
    »Aber…« Spannerraupe blieb der Mund offenstehen. »Sie ist deine Mutter, Schlangenhaupt!« »Ja, das weiß ich, sogar ziemlich genau. Aber wer mein Vater war, das werde ich vermutlich nie erfahren.«
    Spannerraupe betrachtete alle Einzelheiten des Gesichts von Schlangenhaupt, die gewölbten Brauen, die gerade Nase und die ovale Form; er glich Krähenbart so sehr - die beiden hätten Zwillinge sein können, wären sie nicht dreißig Sommer auseinander gewesen. Wie konnte er nur so etwas Lächerliches sagen?
    Schlangenhaupt mußte die Zweifel seines Befehlshabers gespürt haben, denn er reckte das Kinn hoch und befahl: »Geh jetzt, Kriegshäuptling. Ich habe außer dir noch andere Dinge zu bedenken.« »Ja, ich - ich weiß.« Spannerraupe verbeugte sich. »Mein Herz leidet mit dir, da du deine Schwester verloren hast. Sie -«
    »Ja, ja, natürlich.« Schlangenhaupt drehte sich abrupt um und trat zur wärmenden Glutschale, vor der er sich hinkniete.
    Spannerraupe ging rückwärts aus dem Zimmer. Das Licht der Sterne, zurückgeworfen von Krallenstadts weißen Mauern, warf einen schwachen bläulichen Schein über den Abhang. Er marschierte zur Leiter. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte. Er rieb sich über die verletzte Schulter, wo Palmlilie ihn mit seiner Keule getroffen hatte, bevor er den Schlag abwehren konnte. Ein brennender Schmerz pochte in der Schwellung. Spannerraupe fürchtete, der Schlag könnte ihm tatsächlich einen Knochen gebrochen haben. Er kletterte über die Leiter zum Dach des ersten Stockwerks hinab und sog dabei den starken Duft gebackener Maiskuchen ein.
    Spannerraupe ging an der runden Dachlinie entlang bis zu den Kammern seiner Mutter. Die Leiter ragte aus dem Dachloch heraus. Er trat auf die erste Sprosse und hörte, wie Kriecher sagte: »O Gesegnete Federstein, dabei will ich dir helfen.«
    Diesen Ton kannte Spannerraupe. Er mußte kurz die Augen schließen, bevor er in das sanfte rote Licht stieg und auf den fellbedeckten Boden trat.
    Thlatsinas tanzten an den Wänden herum, sprangen und drehten sich im Takt einer ewigen Trommel, die Spannerraupe bisher noch nicht hatte hören können. Über der Glut der Wärmeschale in der Mitte des Zimmers hing eine Teekanne an einem Dreifuß. Der süße Duft von Fichtennadeltee durchzog den Raum. Neben der Glut standen Maiskuchen und eine Schale mit rosig gefleckten Bohnen, um warm zu bleiben.
    Seine Mutter lehnte in der nordwestlichen Ecke rechts von ihm; sie trug einen Truthahnfeder-Umhang über dem Kleid, das Gesicht war erschlafft, ihre Augen sahen nichts. Graues Haar hing ihr unordentlich um die Schultern und rahmte ihr runzliges Gesicht ein. Schweißtröpfchen glänzten auf ihrer vorspringenden Nase.
    Kriecher saß direkt neben ihr, in einer Hand eine Schale mit Bohnen, in der anderen einen Hornlöffel. Nach der Bohnensoße zu urteilen, die ihr übers Kinn lief, hatte er versucht, sie zu füttern. Spannerraupe schaute beiseite. Wenn

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