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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Jungen zu finden und ihn umzubringen… Was ist nur los mit uns?« Mit gebrochener Stimme fragte er: »Haben wir alle unsere Seele verloren?« Kriecher legte den Hornlöffel in die leere Schüssel und setzte sie beiseite. Seine braunen Augen blickten gelassen auf Spannerraupe. »Niemand hat je einen Beweis für seine Niedertracht gefunden, sonst wäre er schon vor vielen Sommern wegen Hexerei hingerichtet worden. Bevor solche Beweise nicht ans Licht kommen, werden ihn die Leute weiterhin als großen Priester verehren … und ihm glauben.«
    Müde und entmutigt lächelte Spannerraupe und senkte den Kopf, das Kinn auf seiner Brust. »Ja, ja.« Kriecher beugte sich vor und schöpfte zwei Teetassen voll. Eine gab er Spannerraupe, der sie dankbar annahm.
    »Tut mir leid, Kriecher«, sagte Spannerraupe. »Ich weiß, du schätzt es nicht besonders, die ganze Zeit meine Vorwürfe anzuhören, aber ich -«
    »Du hast gute Gründe.« Kriecher setzte sich an die Wand neben Spannerraupe und trank seinen Tee. »Darf ich dich etwas fragen?«
    Spannerraupe hob den Kopf. »Ja, natürlich.«
    Kriechers schwarze buschige Brauen zogen sich über der schmalen Nase zusammen. »Erinnerst du dich noch an die Gerüchte in Krallenstadt, vor sechzehn Sommern?«
    »Du meinst… die Schwangerschaft von Nachtsonne? Ja, ich erinnere mich, aber ich habe sie nie geglaubt.«
    Kriecher blickte mit gerunzelter Stirn in seine Tasse. »Ich auch nicht. Jedenfalls nicht ganz. Aber nach den Anschuldigungen von Krähenbart, bevor er gestorben ist, da habe ich doch angefangen, Fragen zu stellen.« »Wem?«
    »Den Sklaven.« Kriecher schaute auf und sah Spannerraupe streng an. »Trauertaube war eine der persönlichen Sklavinnen von Nachtsonne, als die Ehrwürdige Mutter ›krank‹ wurde, während Krähenbart auf einer Handelsreise zu den Hohokam war.«
    Spannerraupe setzte sich anders, mit der rechten Schulter an der Wand lehnend, um die schmerzende linke Schulter zu entlasten. Der brennende Schmerz hatte sich verstärkt. »Ja, und?« Kriecher blickte zu Federstein, als fürchtete er, sie könnte das Gespräch belauschen. Er senkte die Stimme und berichtete: »Trauertaube hat mir erzählt, daß Nachtsonne seit vier oder fünf Monden nicht geblutet hatte. Es war eine ihrer Pflichten, die blutigen Tücher von Nachtsonne zu waschen und zu trocknen.« »Und da gab es keine in der Zeit?« Kriecher schüttelte den Kopf. »Keine.« »Vielleicht hat sie eine andere Sklavin damit beauftragt?« Kriecher warf wieder einen Blick auf Federstein. »Vielleicht. Aber ich vermute eher, Nachtsonne war tatsächlich schwanger und hat das Kind geboren.« Spannerraupe massierte sich die Stirn. Der Schmerz hinter seinen Augen pochte im Takt mit seinem Puls. Die Erschöpfung, zusammen mit der Trauer über Wolkenspiel, hatte ihn ausgelaugt. Er sehnte sich nach Schlaf. »Im Augenblick ist es mir egal, Kriecher. Selbst, wenn's so war « »Glaubst du nicht, es könnte auch ein Mädchen gewesen sein?« Spannerraupe schaute auf. Tiefe Falten hatten sich in Kriechers breites Gesicht gegraben. Er wirkte beinahe… erschrocken. »Du meinst, Nordlicht hätte gelogen, um das echte Kind zu schützen?«
    »Das ist nicht ausgeschlossen.« Kriecher setzte die Tasse auf dem Hirschfell ab und faltete die Hände über dem Gewölbe seines Bauchs. »Das einzige, was ich nicht verstehe, ist -«
    Federstein beugte sich plötzlich vor und stieß einen tiefen Seufzer aus, als wäre sie mondelang gelaufen und hätte endlich einen Rastplatz gefunden. »Du weißt doch, warum, oder nicht?« fragte sie. Spannerraupe wurde das Herz schwer. Ihre Augen waren immer noch leer. Nur ihre Stimme war da. »Nein, Federstein«, sagte Kriecher sanft. »Warum?«
    »Er tut es für mich.«
    Spannerraupe bewegte verlegen die Hände. Manchmal tönte sie immer weiter, plapperte Unsinn, Zeithände lang, ohne Unterlaß.
    Kriecher strich ihr das graue Haar aus dem Gesicht und fragte: »Und warum, Federstein?« »Weil er weiß«, rief sie, »daß ich die rechtmäßige Ehrwürdige Mutter des Clans bin.« »Ich verstehe«, sagte Kriecher und lächelte.
    »Nichts verstehst du«, fauchte sie. »Keiner von euch. Aber er versteht es.«
    Etwas in ihrem Ton ließ Spannerraupe erschauern. Er starrte seine Mutter an. Als hätten ihr die Worte die letzte Energie genommen, fiel sie wieder schlaff zusammen. Kriecher fing sie auf, bevor sie zur Seite kippte, und half ihr, sich auf der Schlafmatte hinzulegen. Er deckte sie bis zum Hals zu und

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