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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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ziemlich sonderbar aus, wie sie da nebeneinander lagen, Distels knabenhafter Körper neben Zikades gedrungener, vierschrötiger Gestalt. »Das müssen Sklaven sein«, flüsterte Zikade bitter.
    Ihr rundes Gesicht und ihr grünes Kleid waren schmutzig. Zweige und altes Laub hatten sich in ihrem kinnlangen Haar verfangen. Der Haß in ihren Augen schmerzte Distel. Wo einmal ein kleines Mädchen aus dem Körper einer Frau herausgesehen hatte, war nun ein altes, bösartiges Weib. Zikade war in einer einzigen Schreckensnacht gealtert, und Distel hatte nicht den Mut, das Mädchen von einst wieder zum Vorschein zu bringen. Es wäre sicher auch nicht klug gewesen; der Haß gab selbst dem, der am Boden lag, noch ein Ziel, einen Lebenszweck, und angesichts der Schwierigkeiten, die noch vor ihnen lagen, könnte Zikade das gut gebrauchen.
    Der Haß war schließlich auch für Distel zur Antriebskraft geworden. Er gab ihr Kraft und stärkte ihren Willen zum Überleben, und der Haß versetzte sie in die Lage, den überwältigenden Drang zu unterdrücken, sich in den Sand zu werfen und zu weinen.
    In den letzten vier Tagen ihrer Flucht nach Süden hatte sie mit sich gerungen, ihre Füße zum Weitermarschieren genötigt und gegen das Schluchzen angekämpft, das wie eine Faust mit weißen Knöcheln in ihrer Kehle saß. Sie wußte, ohne den Haß, der das Feuer in ihrer Seele schürte, würde sie sich ihrem Leid hingeben und für niemanden von Nutzen sein.
    »Ja«, murmelte Distel. »Wenn der nächste Posten vorbeigeht, sieh auf die Tätowierung auf seinem rechten Handgelenk - ein roter Stern, ein Halbmond und ein Handabdruck. Die Krieger kommen von Sternblütenstadt, nordwestlich von Krallenstadt. Es sind Krieger vom Volk des Rechten Wegs.« Nach Süden hin, in Richtung Sternblütenstadt, stießen die hochragenden sandsteingekrönten Wände des Canyons des Rechten Weges gegen die Wolken. Über der Ebene hingen Schatten, aber die verbleichenden Strahlen von Vater Sonne flammten noch über die höchsten Kliffs und entzündeten die treibenden Wolkenleute.
    Ein kalt leuchtender orangeroter Halbkreis wölbte sich über den westlichen Horizont. Bergkuppen standen in der Ferne wie dunkle Blöcke, die ihre Schatten über die Wüste warfen. Im Osten, hinter zerbrochenen Platten hochgekippten Sandsteins, war der Himmel lavendelfarben getönt. Bald würde die Nacht einfallen. Mit großer Kälte, die schon jetzt an Distels Knochen nagte. Sie mußte ein Nachtlager für sie beide finden.
    Doch sie bewegte sich nicht. Sie starrte nur auf die verzweifelten Sklavinnen hinunter. Wie seltsam! Vor ein paar Tagen noch wäre sie mit ausgestreckten Armen durch den Graben hinabgeeilt, um bei den Kriegern des Volks des Rechten Wegs Nahrung und Obdach zu finden. Jetzt waren sie ihre Feinde. Die eigenen Leute waren ihre Feinde!
    Sie packte den Bogen fester. Ich konnte sie nicht die heilige Straße hinuntertragen, also habe ich meinen Mann und meinen Sohn mit eigenen Händen begraben und Steine auf ihre Gräber getürmt. Ich habe ihre Seelen in die Unterwelten gesungen… und ich werde nie vergessen, wer sie getötet hat und warum. »Bleib liegen!«
    Sie drückte Zikades Kopf nach unten, als diese ihn über das Fettholz hob, um besser zu sehen. Zikade grunzte, als ihr Kinn die Erde berührte. Ihre Augen weiteten sich. »Tut mir leid«, flüsterte sie. »Nur noch einen Augenblick. Gleich sind sie weg.« Als die letzten Frauen und Kinder fast vorbei waren, stolperte ein kleines Mädchen, das ein verletztes Bein nachzog. Schmutziges schwarzes Haar umrahmte ihr dünnes, ausgehungertes Gesicht. Sie blieb stehen und starrte wie ein Schlafwandler auf die Leute vor sich. Tränen liefen ihr streifig über die verdreckten, eingefallenen Wangen. »Mutter…«, rief das Mädchen schwach. »Mutter?«
    Langsam knickten die Beine des Mädchens ein, und es fiel zu Boden. Sein zerrissenes gelbes Kleid umflatterte den mageren Körper. Lautlos drehten sich zwei ältere Mädchen um und gingen zurück. Das eine, hochgewachsen und schlank, mit einem schönen dreieckigen Gesicht, übergab ihr Bündel stumm dem anderen, kleineren Mädchen mit einer langen, gebogenen Nase. Das große Mädchen kniete sich hin, schob einen Arm unter das gefallene Kind und hob es auf.
    Zikade blieb so reglos, als ob sie aufgehört hätte zu atmen.
    Das kleine Mädchen klagte: »Wo ist meine Mutter? Nachtfalter, hast du meine Mutter gesehen?« Keine neuen Sklaven! Sie sprechen die Sprache des Volks des

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