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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Sängerling kam mit einem Ruck auf die Erde zurück. »Warum, glaubst du, war ich in der Vision, Sängerling?«
    »Ich weiß nicht.« Jede Vorsicht außer acht lassend, griff er nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit den ihren. Die Dunkelheit fiel ein, und der süße Duft von feuchten Kiefern und nasser Erde erfüllte die Luft. Das schwache Sternenlicht breitete einen dunstigen Schleier über die Wüste. Sängerling verstärkte den Griff, und sein Herz fing an zu klopfen. »Ich weiß wirklich nicht, warum du da warst, Seide, aber mit dir zusammenzusein machte mich sehr glücklich.«
    Sie sah zu Boden, und er brauchte all seine Beherrschung, um die Furcht zu verbergen, die in ihm aufwallte.
    »Wa-was ist mit deinem Vater geschehen?«
    »Oh«, sagte er, »etwas, was ich immer noch nicht verstehe. Wir waren in so einer Art Zimmer… und da fing die Erde an zu beben, und ich kletterte in einen flammenden Himmel und benutzte die Wolken als Sprungbretter.«
    Mit einem Ruck sah sie hoch. »Du hast einen flammenden Himmel gesehen?«
    »Ja, eine gräßliche Orangefarbe, mit Rauch untermischt. Und Flüsse aus Feuer ergossen sich über die Erde.«
    Ihr schönes Gesicht erschlaffte. »Heilige Ahnen!« Ihre Augen wurden ganz groß. »Ich habe auch von einem flammenden Himmel geträumt, aber da ist immer ein Bär, der mir hilft, Sängerling. Wo immer es gefährlich wird, rettet mich der Bär.«
    Der Windjunge jagte durch das Lager und blies ihnen stechenden Sand ins Gesicht. Sie wandten den Kopf zur Seite und schlössen die Augen, bis es vorbei war. Die Kiefern ächzten und knarrten. Sängerling schaute zu ihr auf; Seide starrte nachdenklich in die tanzenden Flammen. »Denkst du an den Bären?«
    Sie nickte; der Feuerschein schimmerte in den windbewegten Locken ihres Haares. »Ich habe, glaube ich, schon immer von diesem Bären geträumt, aber das wurde mir erst vor kurzem klar. Aber wenn ich mich an jeden einzelnen Traum erinnerte, würde ich dann erkennen, daß der Bär schon immer da war, um mir zu helfen? Was meinst du?«
    »So wie ein Schutzgeist?«
    »Ja.«
    Sängerling warf einen neuen Ast aufs Feuer; orangefarbene Flammen leckten sofort um das Holz herum. Funken stoben hoch wie ein blitzender Schleier. »Möglich ist es. Schutzgeister sind undurchschaubar. Vielleicht will der Bär gar nicht, daß du ihn als deinen Helfer erkennst.«
    Nach kurzem Nachdenken nickte sie und antwortete: »So sieht es fast aus. Er hat nie zu mir gesprochen. Aber er ist immer da, wenn ich ihn brauche.«
    »Hast du einmal versucht, ihn anzureden?«
    Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Nein. Komisch. Hab ich nie versucht.«
    »Solltest du vielleicht mal.«
    »Vielleicht…«
    Sängerling dachte, sie wollte noch mehr dazu sagen, aber als sie schwieg, schlug er vor: »Wenn wir vor Morgengrauen aufstehen, dann können wir Krallenstadt über die Ebene wahrscheinlich gegen Mitte des Vormittags erreichen. Und das heißt, wir sollten jetzt schlafen gehen.«
    Seide stand auf. »Ja, das sollten wir. Ich wasche die Tassen und Schalen ab, und du wirfst Erde über das Feuer.«
    Sie nahm das Geschirr und ging damit zu dem kleinen Teich, um es abzuspülen, und Sängerling erstickte das Feuer. Wunderbare Dinge hatte ihm diese Nacht gebracht. Und Bangigkeit. In der Rußwelt hatte er sie aus ganzem Herzen geliebt.

31. K APITEL
    Distel und Zikade hielten sich hinter einer Dornenmauer von Fettholz versteckt und spähten in den Abflußkanal, der die welligen Hügel durchschnitt wie eine aufgerissene Wunde. Da unten gingen Leute, die sich wie schwarze Gespenster bewegten, weil die allmählich länger werdenden Abendschatten sie überdeckten. Nicht einer von ihnen warf einen Blick nach oben; Sie krochen mühsam durch das Rinnsal im Graben, zu müde offenbar, um sich zu beeilen oder sich um den Schlamm zu kümmern, und so still, daß man sie für gewichtslose Erdgeister gehalten hätte, wäre nicht das ständige Zischen ihres Atems gewesen. Die Gewänder hingen in Fetzen an ihnen herab. Schwere Bündel krümmten ihnen die Rücken. Viele gingen barfuß, und hier und da sah man einen schmutzigen Verband um eine Arm- oder Beinwunde. Wachen marschierten neben ihnen und hielten sie in Formation. Distel wischte sich das dunkle Haar aus dem fein geschnittenen Gesicht und kroch näher heran, um durch das Geflecht der Zweige eine bessere Sicht zu haben. Sie stieß Zikade am Arm an. Zwar war sie doppelt so alt wie Zikade, war aber etwa genauso groß. Es sah

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