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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sich die Hand auf den Mund. »Heilige Thlatsinas!«
    »Es wird noch interessanter. Es muß ein sehr sonderbarer Mörder gewesen sein. Nachdem er sie getötet hatte, schloß er ihr die Augen und wälzte sie auf den Bauch, vermutlich damit ihr Blut in die Erde sickern konnte, und dann -«
    »Du meinst«, flüsterte Maisfaser, »so wie man einen frisch erlegten Hirsch ausbluten läßt, um das Festmahl mit Unserer Mutter Erde zu teilen?«
    Eisenholz nickte und suchte dabei die Landschaft ab, die schon dunkler geworden war. Es war ihm unbehaglich zumute, so als würden sie beobachtet. Vermutlich nur wegen dieser unheimlichen Geschichte, aber er hielt Ausschau nach Bewegung in der Dämmerung. »Es sollte so aussehen, als ob der Mörder glaubte, der Tod von Wolkentanz würde irgendwie die Welt erneuern.« Sein Blick glitt über die Klippenhöhen und dann über den Graben. »Seltsam ist auch, daß der Mörder Leichenpulver in ihre Wunden schüttete.«
    »Also hat sie ein Hexenmeister getötet?«
    »Oder jemand wollte uns glauben machen, es sei ein Hexenmeister gewesen.«
    Maisfaser rieb sich die Arme, der Nachtwind brachte eisige Kälte mit. Die Abendleute hatten schon angefangen, den Himmel mit Lichtern zu bestücken, die blitzten und flimmerten. »Sie wäre die nächste Ehrwürdige Mutter von Krallenstadt gewesen, nicht wahr?«
    »Ja, das wäre sie gewesen.« Eisenholz spitzte plötzlich die Ohren. Er hörte Stimmen. Nein, eine Stimme - im Wind. Schwach. Er konnte die Wörter nicht verstehen. War es der Windjunge? Der nach all diesen Sommern zu ihm sprach? Sein Herz klopfte heftig, und er setzte sich aufrecht hin und lauschte.
    »Maisfaser«, sagte er leise, »ich glaube, wir sollten zurückgehen.«
    Ihr gelbes Kleid schlug ihr um die langen Beine, als sie aufstand. »Gut.«
    Eisenholz erhob sich und betrachtete wachsam den Graben und den Pfad nach Krallenstadt. Feuerschein leuchtete in Türen und Fenstern. Die Großen Krieger schienen direkt auf sie zu starren, die Donnerkeillanzen schützend erhoben, die wunderbaren Masken leuchtend.
    Er drängte sich an ihr vorbei. »Laß mich vorgehen, Maisfaser. Aber bleib dicht hinter mir.« »Was ist? Meinst du, da ist -«
    »Ich bin von Natur aus vorsichtig.«
    Er hatte drei Schritte gemacht, als ein Rabe mit angelegten Flügeln vom Himmel herabstürzte. Gegen den schiefergrauen Himmel wirkte er schwärzer als Jett. Der Vogel stieß über ihren Köpfen einen markerschütternden Krächzlaut aus und schoß wieder zum Himmel empor.
    Maisfaser stand mit offenem Mund da. »Woher ist er gekommen? Es ist Nacht. Raben fliegen nicht in der Nacht.«
    »Er ist aus den Nichts aufgetaucht.«
    Der Rabe verschwand in der Finsternis jenseits des Canyon-Randes.
    Eisenholz' Nerven waren in Aufruhr. »Maisfaser, hast du nicht gesagt, du glaubst, dein Schutzgeist wäre ein Rabe?«
    »Ja.«
    Er umklammerte ihre Hand. »Laß mich nicht los, verstehst du? Ich will dich ganz dicht bei mir haben.«
    »Ich verstehe.«
    Sie trat ihm fast auf die Fersen, als sie nach Krallenstadt zurückgingen.

    55*
    Ein Hund knurrte, und ein Kind kreischte, als wäre es gebissen worden. Als eine Frau schimpfte: »Ich hab dir doch gesagt, du sollst den Hund nicht ärgern«, lächelte Spannerraupe. Er hockte auf dem Dach oberhalb des Stadttors; vor kaum einer Zeithand hatte er Stechmücke abgelöst. Der Geruch von Zedernrinde-Fackeln durchzog die Nacht. Die Abenddämmerung hatte die Canyon-Sohle zugedeckt, samt der Gräben und niedrigen Hügel, so daß jetzt eine indigoblaue Decke über allem lag, nur durchbrochen von den vielen Herdfeuern. Orangefarbene Funken flimmerten, als die Leute vor den Feuern herumliefen.
    Viele waren gekommen, um den Leichenzug zu begleiten; sie säumten die Pfade, die aus dem Canyon führten, schütteten Maismehl auf die Wege, weinten und rauften sich die Haare. Spannerraupe hatte dieses Schauspiel schon oft gesehen. Die lachhaft große Anzahl von Würdenträgern und Kriegern marschierte vorbei, ohne ein Wort zu den Trauernden.
    Spannerraupe rieb sich über das Gesicht. Die freudige Erregung, als er zum Kriegshäuptling ernannt worden war - wo war sie geblieben? Seine Stimmung verschlechterte sich täglich.
    Ermüdung lastete auf ihm; seine Muskeln waren kraftlos geworden. Er mußte sich daran erinnern, daß er Wache stand und sich solche Abschweifungen der Seele nicht leisten konnte, aber er war dreißig Zeithände lang nicht zum Schlafen gekommen. In dieser Zeit hatte er ununterbrochen

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