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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sowieso nicht beantwortet. Sie blickten starr auf Eichelhäher. Der Häuptling schlenderte langsam durch die Menge, das schwarze Hemd mit den weißen Mustern schwang um seine Beine. Eichelhäher kniete sich hin, packte Eisenholz am Kinn und hob gewaltsam das verwundete Gesicht hoch, so daß er ihm in die Augen sehen konnte. Eisenholz machte das schmale Gesicht des Häuptlings und die schwarzen Augen aus. Das Haar des Ältesten war wie ein verschwommener grauer Hof um den Kopf.
    »Siehst du jetzt besser?« fragte Eichelhäher.
    »Etwas.«
    »Gut.«
    »Warum?« fragte Eisenholz heiser. »Was sollte ich sehen?«
    Eichelhäher stand auf und stand über Eisenholz wie ein zornbebender Gott. »Ich will, daß du den Augenblick erlebst, in dem die Welt finster wird.«
    Eisenholz faßte sich. »Es ist also Zeit zu sterben.«
    »Nein, mein alter Feind. Es ist Zeit für den Lanzenlauf.«
    »Für den…« Eisenholz schluckte. Er hatte Krieger davon erzählen hören, die zusehen mußten, wie ihre Kameraden das erduldet hatten. Die Mogollon bildeten ein Spalier. Jeder hielt eine Lanze mit einer Obsidian-Spitze hoch, bereit zuzustechen, wenn der feindliche Gefangene vorbeigetrieben wurde. Es ging in diesem Spiel darum, wer den Gefangenen als erster blenden könnte.
    »Bringen wir es hinter uns«, sagte Eisenholz und mühte sich, auf die Beine zu kommen, aber die Füße schienen ihm nicht zu gehorchen.
    Die Wächter zerrten ihn hoch. Eisenholz sah, wie die Leute über die Plaza strömten und sich aufstellten. Seine Beine zitterten stark. Die Angst packte ihn, daß er vielleicht dieser letzten Herausforderung nicht trotzen könnte. Die Feuerhunde würden sich ausschütten vor Lachen, wenn er versagte, und ihn dann als Feigling behandeln. Bis jetzt hatte man ihm die Marter zugemutet, die eines Kriegers würdig ist, aber sollte er schwach werden, würden sie ihm trockenen Dung in den Mund stopfen, ihn zwingen, den hinunterzuschlucken, und dann Dung um ihn herum anhäufen und ihn in Brand stecken.
    Man wird sagen, daß der Kriegshäuptling Eisenholz schrie wie ein verängstigtes Kind, als er starb. Die Händler werden das überall erzählen. Die Männer und Frauen, die an meiner Seite kämpften, werden mich hassen, da ich ihnen und all den Kriegern des Rechten Wegs Schande bereitet habe. Eisenholz blickte mit seinen trüben Augen fest auf Nachtsonne. Er preßte die Knie aneinander und hob den Kopf. Ich kann es tun. Nur noch etwas länger wenn ich nur noch eine Zeithand auf meinen Beinen stehen kann, werden sie mich mit dem Tod belohnen.
    Die Wächter zerschnitten ihm die Fesseln, und er spreizte seine zitternden Beine, um breitbeinig zu stehen. Eichelhäher wandte sich um und ging zum Anfang des Spaliers der Krieger. »Los!« befahl einer der Wächter und stieß Eisenholz vorwärts. Er fiel in einen torkelnden Trab. Er kam in das Spalier und hörte Nachtsonne leise aufschreien; aus dem linken Augenwinkel erhaschte er einen Blick auf die Lanze. Instinktiv schnellte sein Arm hoch, um den Stoß abzuwehren, und die Zuschauer brachen in Beifallsgeschrei aus. Die Menge drängte vor, lachend und trampelnd. Ihr säuerlicher Schweißgeruch hing in der Luft. Eisenholz taumelte durch die Reihen und versuchte verzweifelt, in dem schwindelerregenden Gewirr vieler Farben Lanzen zu erkennen… Das Spiel hatte begonnen.

    Keuchend hielt Sängerling auf dem gewundenen Bergpfad an; seine Knie waren weich, und die Erschöpfung lähmte ihn. Es war normalerweise ein Dreitagemarsch, aber sie hatten tatsächlich nur anderthalb Tage gebraucht - und er fühlte die Anstrengung in jedem Muskel. Er stemmte die Hände in die Hüften und schaute über das Talbecken. Es wirkte fast flach, wie eine glatte grüne Decke, die an den Rändern zerknüllt aussah. Zerklüftete blaue Gipfel schwebten im Osten über dem Land, aber die Thlatsina-Berge im Westen waren verschwunden. Sängerling runzelte die Stirn. Eine dunstige Rauchfahne zog sich über den nördlichen Himmel; sie war seit gestern noch dunkler, noch bedrohlicher geworden.
    Maisfaser trat neben ihn, ihr hübsches Gesicht war schweißbedeckt. »Ist es vielleicht ein Waldbrand?« »Vielleicht. Aber für ein so großes Feuer eigentlich zu früh. Das Gras ist noch grün. Auf den Bergen liegt Schnee. Was kann da brennen?«
    Der Windjunge, der seufzend durch die Baumkronen strich, brachte die Düfte von Wacholder und Hahnenfuß heran. Ein kleines Rudel Rotwild trottete über die Wiese unten, die weißen Schwänze in die

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