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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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kalt. Er würde seine Decke benötigen. Auf Zehenspitzen schlich er zurück und nahm sie an sich.
    »Schirmst du dich gegen das Licht ab?« fragte Düne schläfrig. Kreuzdorn runzelte die Stirn. »Bist du wach?« »Nein, das ist meine abgeschiedene Seele, die dich aus den Unterwelten anruft. Natürlich bin ich wach! Beantworte meine Frage!«
    »Abschirmen? Nein, wieso? Wenn ich morgens oben auf der Mesa stehe, halte ich die Arme ausgebreitet, um so empfänglich für das Licht zu werden, daß ich genau merke, wann es wiedergeboren wird.«
    Düne rollte zu ihm herum. Die Feldmaus, mit wachen Augen, fraß ruhig weiter. »Ist das dein Ziel? Im Licht zu stehen, dein Leben lang?« »Ja, Ältester«, sagte Kreuzdorn ernst, »deswegen bin ich zu dir gekommen. Um zu lernen, wie -«
    »Dann wirst du immer im Finstern stehen. Allein. Verstört.« Kreuzdorn trat von einem Bein aufs andere. »Was willst du damit sagen?«
    Düne strich der Maus mit der Fingerspitze über den seidigen Rücken. Das kleine Tier schien es kaum zu merken. Tiefe Falten liefen kreuz und quer über Dünes uraltes Gesicht, als er lächelte. Das schwache Licht, das durch die Rauchabzugslöcher im Dach fiel, gab seinem weißen Haar eine lavendelfarbene Tönung. »Auf deinen Füßen stehend, kannst du nicht wiedergeboren werden, Junge. Du kannst nie das Licht sein, wenn du darauf bestehst, es im Auge zu behalten.«
    Kreuzdorn stammelte: »Aber - ich will gar nicht wiedergeboren werden. Ich will ein großer Geistsänger werden wie du. Um meinem Volk helfen zu können.«
    »Ein großer Sänger?« Düne warf seine Decke ab und schaute ihn finster an. Sein langes braunes Hemd schimmerte matt. »Welch ein Hochmut! Weißt du, wohin der führt? Zu der Art von Selbstsucht, die aus dir einen armseligen Sänger macht.«
    »Aber Ältester …« Er breitete verzweifelt die Arme aus. »Ich bin ja jetzt ein armseliger Sänger. Ich kann nicht mal mehr die Wörter unserer heiligsten Gesänge behalten. Wenn ich nicht hoffen darf, ein großer Sänger zu werden - worauf kann ich dann überhaupt hoffen?«
    »Auf Spott und Hohn«, sagte Düne. »Gelegentlich auch Verachtung.« Er rollte seine Decke zusammen und verstaute sie in der Ecke neben den Körben. »Auf Zweifel und Unglauben.«
    »Spott und Hohn?« flüsterte Kreuzdorn erschrocken. »Aber Ältester, das kann ich nicht akzeptieren. Warum sollte das Volk, dem ich ja gerade zu helfen versuche -«
    »Das kannst du nicht akzeptieren?« Die weißen Augenbrauen Dünes zogen sich zu einem buschigen Strich zusammen. »Also dann muß ich dich besser vorbereiten. Mal sehen. Ach ja, ich weiß.« Er schlug sich mit den Handflächen auf die Knie. »Du willst doch einen neuen Namen haben, nicht wahr?«
    Kreuzdorn riß die Augen auf. »O ja, Ältester. Das wünsche ich mir sehr. Ich habe schon an so etwas gedacht wie -«
    »Von diesem Augenblick an heißt du Sängerling.«
    »Sänger… ling? Aber das ist eine Beleidigung! Warum tust du mir das an?«
    Dünes kratzige Stimme wurde mild. »Weil wir hier nicht nach Größe streben. Wir streben danach, so klein zu sein, daß niemand uns wahrnimmt. Wenn du nach etwas streben mußt, dann strebe danach, ein Rattenschwanz zu sein… oder eine Vogelzehe … oder ein Sabbertropfen aus dem Maul eines Bisons. Deswegen bist du hier, Sängerling!«
    »Um zu lernen, der Sabbertropfen eines Bisons zu sein?«
    »Ja.« Düne hob mahnend einen knochigen Finger. »Das ist nicht leicht. Als erstes mußt du dein Herz sauber hacken. Es enthält viel zuviel von dir. Das mußt du ganz klein schnitzeln. Und dann halt Ausschau nach all den anderen unendlich kleinen Dingen in der Welt. Ameisen unter einem Stein. Sandkörnchen. Würmchen auf Pflanzenstengeln. Strebe danach, eines davon zu sein. Betrachte das Leben durch ihre Augen. Vergiß die großen Dinge.«
    »Das Herz sauber hacken«, sagte Kreuzdorn sarkastisch. »Das stell ich mir ziemlich schmerzhaft vor.« Düne grinste wie ein Luchs, der vor einem Packrattennest lauert. »Du hast keine Ahnung.« Der alte Mann erhob sich auf wackligen Knien und machte eine weit ausholende Handbewegung zur Tür. »Geh hinaus, damit das Blut nicht alles verdreckt. Ich mache den ersten Schlag. Und ich will, daß du dich selbst in Gedanken mit deinem neuen Namen nennst.«
    »Ich glaube, das ist der erste Schlag, Ältester.« Er griff nach seiner Decke.
    Armer Sängerling. Ich bin Sängerling. So heiße ich jetzt. Sänger… Wie kann ich mit so einem Namen durchs Leben gehen?

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