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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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keine Sorge, Seide. Wenn sie hier sind, finden wir sie auch. Wollen wir uns setzen und das besprechen?«
    »Ich möchte dich nicht damit behelligen.« Sie hatte die Stimme gesenkt.
    Nordlicht wandte sich an Eisenholz. »Kommst du zu uns?«
    »Ich habe mir gedacht, daß ich später mit Seide spreche. Jetzt habe ich noch zu tun.« Als läse er die Anspannung in Eisenholz' Gesicht, sagte Nordlicht sanft: »Ich verstehe.« Eisenholz drehte sich zu Seide um; ihre Augen verengten sich, kaum merklich. »Bis nachher, Seide.«

    Das Herz klopfte ihr in der Kehle, als sie Eisenholz auf der Plaza nachsah. Es wäre Maisfaser nie in den Sinn gekommen, daß sie so schnell nach ihrer Ankunft mit Nordlicht allein sein könnte. Du machst das schon. Sei nur vorsichtig. Du kannst dir jetzt keinen Fehler leisten. Sie betrachtete ihn prüfend. Seine braunen Augen schienen durch all ihre sorgfältig aufgebauten Verteidigungsstellungen hindurch direkt in ihre Seele zu sehen. Bei der plötzlichen Erkenntnis ihrer Verletzlichkeit wäre sie am liebsten weggerannt. Nordlicht sagte: »Sollen wir uns nicht draußen hinsetzen, wo wir den Canyon betrachten können? Er ist heute sehr schön. Die ersten Wildpflanzen sind schon herausgekommen.«
    Sie nickte heftig. »Würde ich gern.«

35. K APITEL
    Vater Sonne ließ sein Licht grell über den Canyon lodern, bleichte die sonst hellbraunen Wände zu einem rostigen Weiß und entzog dem Himmel alle Farbe. Windgetriebener Staub tanzte über das fahle, stumpfe Blau. Maisfaser folgte Nordlicht durch das Tor und zählte dabei drei Wirbel, die wie trunken durch den Canyon torkelten; ihr schwankender Tanz sah spielerisch aus, und der Anblick besänftigte sie einen Augenblick lang.
    Als sie und Sängerling im Morgengrauen zum ersten Mal über den Rand des Canyons der Leute des Rechten Wegs geschaut hatten, war sie von der Größe der Siedlung überwältigt gewesen. Sie hätte sich weder die gewaltigen Ausmaße der Gebäude noch deren Zahl jemals vorstellen können. Überall hatten noch Feuer gebrannt, von den Klippen widerscheinend, das Tiefland mit Lichttupfern übersäend, das Gewässer unten säumend und von den Höhen der Mesas flackernd. Da mußten wohl zwei- bis dreitausend Menschen in diesem engen Canyon leben. Sie trieben mit fast allem Handel; aber woher bezogen sie ihr Wasser im Sommer?
    Nordlicht wandte sich nach rechts, sein weißes Hemd tanzte in der Brise. Maisfaser warf einen schnellen Blick auf Spannerraupe, der noch oberhalb des Tores stand. Er sah noch genauso aus, wie sie ihn im Gedächtnis hatte, mit eckigem Kinn und hager. Sein rotes Hemd blähte sich im Wind. Als sie unter ihm vorbeigingen, schaute er mit gerunzelter Stirn herab. Maisfaser senkte schnell den Kopf und sah auf ihre Füße. Wahrscheinlich würde er sich nicht an sie erinnern, aber sie wollte nichts riskieren.
    Grünes Gras säumte den Fuß der weißen Mauer. Eine korallenfarbene Straßenabdeckung aus Sandstein knirschte unter Maisfasers Sandalen.
    Nordlicht wandte sich noch einmal nach rechts und führte sie zur westlichen Seite des halbrunden Baus und weiter zu einem Pfad durch ein Labyrinth hinuntergestürzter Felsbrocken. Mannshohe Steine lagen am Fuß der Klippe verstreut. Im ihrem kühlen Schatten gediehen gelbe und blaue Wildpflanzen, deren Blütenblätter in der Brise zitterten. Jenseits der Stadt erhob sich der nackte Fels zweihundert Handlängen hoch in den bleichen Himmel. Schöne Malereien und Einmeißelungen verzierten die Felswand und erzählten die Geschichte des Kampfes der Großen Krieger, die die Ersten Menschen nach ihrem Auftauchen aus den Unterwelten retteten. Maisfaser legte den Kopf in den Nacken und betrachtete mit offenem Mund die Spiralen, Handabdrücke und Sonnensymbole, die die ganze Fläche der Wand bedeckten.
    Nordlicht setzte sich, den Rücken an den kühlen Stein gelehnt, und schaute auf die verkrüppelten Bäume, die sich an die steile Klippe klammerten. Der Wacholder überlebte in einem Stück Boden, das nicht größer war als eine Handfläche. Von den Wacholderbäumen, die um Lanzenblattdorf herum wuchsen, wußte Maisfaser, daß die Bäume nicht größer werden würden. Sie würden immer winzig bleiben, und in jedem Sonnenkreis würden sich die Zweige weiter aufbiegen und miteinander verflechten.
    Nordlicht neigte sein ungewöhnlich schönes Gesicht, um Maisfaser anzublicken. »Du wirst sehen, dieser Platz ist zum Reden ideal. Vater Sonne hält ihn den ganzen Nachmittag und noch bis spät

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