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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Neuntöter sie nicht zufällig entdeckt hätte. Jede Neuigkeit an diesem schrecklichen Morgen schien ein Funke neben einem Strohhaufen zu sein.
    Jagender Falke verlagerte das Gewicht und weigerte sich, den Schmerz in ihren Hüften und ihrem Rücken zur Kenntnis zu nehmen. In ihrem Alter war das Stehen kaum zu ertragen.
    Es würde jetzt nicht mehr lange dauern, bis man sie selbst im Haus der Toten aufbahren würde. Man würde ihr den alten Bauch aufschlitzen und die Eingeweide herausnehmen. Grüne Schlange würde vorsichtig die runzlige Haut abziehen und sie gerben. Dann würde der nackte Leichnam dort liegen, um auszutrocknen und zu verwesen, bis Grüne Schlange Blitzende Katze und Gestreifter Bär anweisen würde, die letzten Fetzen braunen Fleisches von den Knochen zu zupfen, um dann die gegerbte Haut über das trockene Skelett zu ziehen und sie mit Gras auszustopfen. Anschließend würde man die Haut wieder zusammennähen. Während eines großen Festes würde sie dann neben ihre Vorfahren gelegt, geehrt und angebetet, auf dass ihr Geist dem Dorf Führung und Schutz schenke und Muschelkamm und ihre Nachfolgerinnen leite und inspiriere.
    Und wenn mein Geist die andern trifft — was werden sie sagen? Wie werden sie mich behandeln?
    Ihre Lippen zuckten, sie fühlte sich unbehaglich. Wie konnte eine Bande von Geistern ihresgleichen etwas antun? Wenn sie sich dafür entschieden, sie zu bestrafen - welche Wunden konnten sie ihr zufügen?
    Du bist ein dummes altes Weib. Was du getan hast, musste getan werden! Flache Perle war unabhängig geblieben und hatte eine führende Rolle unter den Dörfern am Fischfluss. Der Grünstein-Clan wurde diesseits und jenseits der Salzwasserbucht respektiert. Welche Verbrechen sie auch begangen hatte - der Erfolg sprach für sich.
    Sie blickte zu Muschelkamm hinüber und bemerkte die eiserne Entschlossenheit der Frau. Sie hielt sich allein durch Willenskraft aufrecht, das Gesicht wie eine Maske, als man ihr die Leiche ihrer Tochter brachte.
    Vielleicht war Muschelkamm nun reif genug, um zu verstehen, welche Verantwortung eine künftige Weroansqua zu übernehmen hatte. Endlich handelte sie wie eine Führerin, äußerlich unberührt, ein Vorbild für ihr Volk. Nur weil sie Muschelkamm so gut kannte, spürte Jagender Falke, wie brüchig diese Fassade war. Doch was brüchig war, das bröckelte nicht, ließ keine Löcher zu, es zerfiel mit einem Schlag. Wenn Muschelkamm nicht durch ein großes Unglück gebrochen würde, dann würde sie zu einer Führerin mit ungeheurer Widerstandskraft werden.
    Alles in allem - es gibt noch Hoffnung.
    Jagender Falke hätte vor Erleichterung beinahe laut geseufzt, hätte nicht die traurige Situation ein solches Verhalten verboten.
    Neuntöter trat auf sie zu. Sein Gesicht war so ausdruckslos, als wäre es aus Holz geschnitzt.
    »Was ist dort draußen vorgefallen?«
    Neuntöter holte tief Luft. Einen Augenblick lang hielt er den Atem an, um innerlich zur Ruhe zu kommen. »Ein ereignisreicher Morgen, Weroansqua. Wir hatten uns auf der Landzunge vorgearbeitet, als die junge Springendes Kitz herbeilief und uns vor feindlichen Kriegern warnte. Ich rief meine Männer zusammen und stellte eine Falle, in die Amselflügel eilig hineintappte. Er berichtete alsbald bereitwillig, er komme in Frieden und habe den Auftrag, dir eine Botschaft vom Weroanzi zu bringen.«
    »Nämlich?«
    »Der Weroanzi von Weißer Pfahl möchte dir vorsichtig andeuten, dass ihm der Gedanke an eine Heirat von Rote Schlinge mit dem Großen Tayac sehr missfällt. Kurz, Weroansqua, Maisjäger muss erfahren haben, dass Rote Schlinge eine Frau geworden ist. Dies hat ihn offenbar derartig erschreckt, dass er Amselflügel aufgetragen hat, dich davon zu überzeugen, die Entscheidung zurückzunehmen.
    Er sollte es jedenfalls versuchen.«
    Jagender Falke warf einen Seitenblick auf Muschelkamm. Die Augen ihrer Tochter glitzerten. Gut! Sie dachte nach, sie benutzte ihren Kopf nicht nur für ihre Trauer.
    »Ich verstehe.« Sie deutete auf die zwei Krieger, die immer noch den Pfahl mit der Leiche von Rote Schlinge trugen. »Und das?«
    »Die Leute von Weißer Pfahl haben sie umgebracht, oder?«, rief Muschelkamm schneidend. »Sie haben meine Tochter umgebracht, damit sie den Großen Tayac nicht heiratet!« Sie trat mit erhobener Faust vor. »Dafür werden sie teuer bezahlen.«
    Jagender Falke biss sich auf die Zunge. Sie wollte Muschelkamm nicht öffentlich zurechtweisen, aber es war vielleicht doch zu viel

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