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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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dann war er getäuscht worden und in die Falle gelaufen, und sein Plan war vereitelt worden. Und als der Feind sich anschickte, ihm eine schreckliche Niederlage zu bereiten, war der Zauberer erschienen und hatte ihn davor bewahrt.
    Und jetzt sitze ich hier, glücklich am Leben, aber ich bin weder der Lösung des Dilemmas noch einem Ausweg aus dieser schwierigen Lage näher gekommen.
    Zwei Zeithände zuvor hatten ihnen mürrische Krieger von Drei Myrten die Kanus zurückgebracht.
    Jaguars wundersames Einschreiten hatte ihnen also nicht nur das Leben gerettet, sondern auch die Möglichkeit gegeben, sich zumindest für den Augenblick aus einer unheilvollen Lage zu befreien.
    Ein Weiser, der diese Bezeichnung zu Recht trug, hätte längst seine Sachen genommen und wäre davongerannt, solange das noch möglich war.
    Neuntöter kratzte sich am Ohr und verzog das Gesicht. Er hatte sich selbst immer für einen hellen Kopf gehalten. Aber wie sehr ihn auch sein Herz drängte, mit seinen Kriegern zu verschwinden, sein Starrsinn hieß ihn bleiben. Er musste wissen, welche Wirkung Jaguars Ankunft in Drei Myrten haben würde.
    Mit einem Zweig schlug er auf den feuchten Boden. Er hatte von Anfang an bei jeder neuen Wendung in den Ereignissen um Rote Schlinge ein merkwürdiges Gefühl gehabt, aber nun wurde die Lage immer verworrener.
    »Häuptling?« Fliegende Fischreuse unterbrach Neuntöters Gedanken. Sein Stellvertreter deutete in das Halbdunkel der Abenddämmerung.
    Durch die Bäume sah Neuntöter Jaguar näher kommen; er ging über die Lichtung zwischen den Bäumen und Drei Myrten.
    Sonnenmuschel ging wachsam hinter ihm her. Sie hatte den Federumhang zurückgezogen und über die Keule geschlungen, die an ihrem Gürtel hing. Ihre rechte Hand ruhte auf dem Griff. Die Waffe wirkte für ein so kleines Mädchen viel zu groß. Durch das dünne Gewebe des roten Gewandes konnte Neuntöter die knospenden Brüste erkennen. Hielt sich das Mädchen tatsächlich für eine Kriegerin?
    Unter anderen Umständen hätte Neuntöter über diesen Auftritt laut gelacht.
    Er ließ den Zweig fallen, stand auf und wischte sich die Hände ab. »Lass sie kommen. Aber, Fliegende Fischreuse, behalte sie im Auge. Sag mir sofort Bescheid, wenn dir etwas Verdächtiges auffällt.«
    »Ja, Häuptling.« Fliegende Fischreuse schien beunruhigt.
    Jaguar trat durch die Bäume direkt auf Neuntöters Feuer zu und grüßte, geistesabwesend nickend.
    Formlos setzte er sich vor das Feuer und wärmte sich die knochigen Hände. Die Haut des alten Mannes sah aus wie morsches Leder, dunkel, schwielig und runzelig.
    Sonnenmuschel stand hinter ihm, die Flügel ihrer Hakennase zuckten. Jaguar gab sich gleichgültig, aber Sonnenmuschel behielt die Krieger von Flache Perle, die sie von allen Seiten her finster beobachteten, im Auge. Ein tapferes Mädchen, obwohl es so mager war. Neuntöter staunte über die Anerkennung, die er nicht verhehlen konnte.
    »Wird kalt werden heute Nacht«, sagte Jaguar statt einer Grußformel. »Aber für die Jahreszeit ist es tatsächlich zu warm. Es könnte schlimmer sein, wisst ihr. Um diese Zeit, so kurz vor der Wintersonnenwende, habe ich schon Schnee gesehen, der so hoch war, dass er einem Wapiti bis zu den Hüften reichte.«
    »Ich habe von solchen Wintern gehört«, erwiderte Neuntöter. Er hockte sich nieder und nahm den Zweig wieder auf, den er abwartend zwischen den Fingern hin- und herrollte.
    Jaguar rieb sich die Hände, betrachtete gedankenverloren die Flammen und fragte: »Hast du einmal gesehen, wie sich der Nebel vom Meer ins Land wälzt?«
    Neuntöter hob erstaunt eine Braue. »Habe ich.«
    »Der Fall Rote Schlinge scheint mir ähnlich zu sein: dichter Nebel, der uns einhüllt. Niemand sieht klar. Das Mädchen ist tot, und die Menschen fällen Urteile, wie es ihnen gerade passt.«
    »Glaubst du?«
    Jaguar lächelte. »Würden sich sonst zwei Dörfer, die viele Blätterblüten miteinander befreundet waren, gegenseitig an die Gurgel springen?«
    Neuntöter schwieg gereizt.
    »Ah«, äußerte sich Jaguar wissend. »Dein Gesichtsausdruck soll mich wohl glauben machen, dass du heute Morgen den Wunsch hattest zu sterben.«
    »Dummes Geschwätz!«
    Jaguar betrachtete ihn und schien bis in die Tiefe seiner Seele zu blicken. Dann sagte der alte Mann:
    »Wir wollen ehrlich miteinander sein. Von allen Herausforderungen, denen ein Mann sich stellt, ist Ehrlichkeit die schwierigste. Also sage mir, Häuptling, unter uns, in diesem kleinen

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