Vox
Handtuch abrubbeln, während sie wieder zu Atem kommen und den Kopf darüber schütteln würde, wie knapp sie entronnen war.»
«Oh, danke, Popeye, daß du mich vor diesem großen ordinären Schwanz gerettet hast!»
«Genau. Überhaupt – möchtest du das noch weiter hören?»
«Ja.»
«Gut. Da lief also die Vorschau für so einen schrecklichen Film à la post-Caligula-post-Devil-in-Miss-Jones mit massenweise überflüssigen Absurditäten, was ich hasse, fackelbeleuchtete Sets, Zwerge, aber mittendrin dann natürlich, peng, diese schockierenden reinen normalen Sexszenen, deren Abruptheit mir durch Emily bewußt wurde, weil Emily mein Gast war und ich sie auf meiner Couch ansah. Dann war die Vorschau vorbei, und das ATOM-Logo kam wieder und wurde klar, und ich schaute zu ihr rüber. Sie sah stur auf den Fernseher – das Licht aus der Küche erhellte von hinten ihr Profil –, und sie saß im Schneidersitz, und ein Unterarm lag auf ihrem Bauch, und in der linken Hand hatte sie ihren Tee. Sie trug einen Faltenrock. Sie wirkte so ungemein angezogen. Sie hob den Becher, und ich sah, wie ihre Lippen ihn berührten – das Wasser war immer noch zu heiß, darum mußte sie so einen langgezogenen Einwärtsschlürfer machen, bei dem sich die Flüssigkeit von der Oberfläche löst und zu einem Tee-Aerosol wird, und ihre Augen wurden schmal, als sie spürte, wie der feine heiße Sprühregen an ihre Zungenspitze kam. Und dann begann der Film – Pleasure So Deep. Er fängt mit einem Dienstmädchen an, das eine Klingel hört und daraufhin einem Mann etwas auf einem Tablett bringt, und sie unterhalten sich kurz, und sie geht wieder.»
«Hast du dir den Film seither noch mal ausgeliehen?» fragte sie.
«Zweimal. Es ist auch einer der drei, die ich mir heute abend geholt habe, den ich mir aber wahrscheinlich nicht ansehen werde. Macht viel mehr Spaß, ihn dir zu erzählen. Also, das Mädchen geht weg, und dann fängt so eine dünne elektronische Europop-Sexmusik an, und dann sofort: Schnitt auf halbnackte Frau und Mann mit Schwanz, dazu synchronisiertes Stöhnen. Die Frau ist so um Ende Dreißig, sehr attraktiv, die Haare zurückgesteckt. Emily sah sich das etwa eine Minute an, dann schaute sie zu den Fenstern hin und sagte: ‹Bist du sicher, daß man da nicht reinsehen kann?› Ich habe zwar Vorhänge, aber ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob man da womöglich doch hereinsehen konnte, und meine Wohnung ist im Erdgeschoß, an der Seite des Gebäudes, es war also ein legitimes Anliegen, darum sprang ich wieder auf, nahm die Schlüssel und sagte, ich sei gleich wieder da, und dann ging ich nach draußen und versuchte, in meine Fenster zu sehen, und es war überraschend sicher: man konnte weder Emily noch sonst etwas im Zimmer erkennen, man konnte nicht einmal sehen, daß der Fernseher lief, vermutlich, weil es so ein kleines Gerät ist. Ich ging also wieder rein und setzte mich, etwas außer Atem, und sagte ihr, daß man von draußen nicht das mindeste sehen könne. Sie sagte: ‹Toll, danke.› Ich sagte: ‹Was war inzwischen?›, und sie sagte, mit einer leicht unnatürlichen Stimme: ‹Die Frau und ihr Lover haben auf verschiedene Arten gefickt.› Es war noch dieselbe Szene – der italienische Typ, dessen Name sich als Mario herausstellt, hat seinen verblüffend langen Schwanz zwischen ihren Brüsten – ich erinnere mich, daß ich das Bild sah und mich sofort Emily zuwandte und ihre Augen beobachtete: Bei jedem Schnitt sah ich, wie ihre Augen eine winzige Bewegung machten, um das Schwerkraftzentrum des nächsten Bildes zu finden. Pornofilme werden fast immer mit sehr repetitiven Schnitten zwischen zwei oder drei Kamerapositionen gemacht, ich wußte also, was für Bilder es waren, und konnte dabei trotzdem Emilys Augen beobachten: So wurde beispielsweise zwischen einer Nahaufnahme des wippenden Kopfs der Frau, während sie den Schwanz lutschte, und einer Einstellung etwas weiter weg gewechselt, in der man sie auf dem Bett knien und die Haare aus der Kamera halten und ihn auf dem Rücken liegen sah, hin und her, A B A B, und ich konnte sehen, wie der Farbenmix auf Emilys Iris wechselte, und ich konnte sehen, wie sie diese exakten kleinen Anpassungen vornahm. Das Wunder des Sehens. Sie hatte einen Ausdruck sehr aufmerksamen, stirnrunzelnd amüsierten Widerwillens. Als die Szene vorüber war, sagte ich: ‹Wie findest du’s bis jetzt?› Und sie sagte: ‹Zufällig habe ich den Film schon mal gesehen, ungefähr vor
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