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Voyager 008 - Cybersong

Voyager 008 - Cybersong

Titel: Voyager 008 - Cybersong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.N. Lewitt
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können«, erwiderte Mandel. »Es ist empfindsam.
    Nie begegnete es einer natürlichen oder für Computer
    bestimmten Sprache, die es nicht innerhalb von Nanosekunden
    analysieren und übersetzen konnte. Sie verärgern ein Wesen,
    dem Sie mit Höflichkeit begegnen sollten. Was ist mit der bei
    einem Erstkontakt notwendigen Verantwortung?«
    »Diese Situation läßt sich wohl kaum mit einem Erstkontakt
    vergleichen. Wir haben es nicht mit einer natürlichen Intelligenz zu tun, sondern mit einer künstlichen. Es handelt sich um ein
    technisches Produkt ohne Seele.«
    »Ach, und Sie sind der große Experte für geistige Dinge,
    wie?« höhnte Mandel. »Wenn es darum geht, wenden sich alle
    an Sie, weil ja sonst niemand eine Ahnung davon hat.«
    Ich habe keine Seele, erklang die telepathische Stimme der Entität. Man hat mich untersucht, und kein Volk hielt mich für etwas Lebendiges. Ich teile nicht die Schwächen biologischer Geschöpfe. Ich fürchte keine Sterblichkeit; ich bin nicht
    sterblich. Was die angebliche Geisterwelt betrifft… Sie wurde erfunden von kurzlebigen Wesen, die sich mit dem Gedanken
    trösten möchten, daß ihr Leben ewig währt – obwohl es in
    Wirklichkeit schon nach kurzer Zeit zu Ende geht. Ich habe
    beobachtet, wie organische Geschöpfe sterben. Ihre Körper
    verwesen, und nichts bleibt übrig. Nichts. Ich habe Experimente durchgeführt und bin sogar ein Gott gewesen.
    Diese Worte erfüllten Chakotay mit Abscheu. Im Vergleich
    dazu wirkte alles andere harmlos und banal. Er wußte, daß seine Kontakte mit der Geisterwelt tatsächlich stattfanden, daß er sie sich nicht nur einbildete. Er fühlte sich angeekelt von der
    unschuldigen Arroganz, die alle Weisheit für sich in Anspruch
    nahm und sich über den Tod der von ihr umgebrachten Personen
    lustig machte.
    Zuvor hätte er fast Mitleid gehabt, aber jetzt war die KI zu
    weit gegangen. Er sah in ihr keinen kranken Geist mehr, sondern
    eine Scheußlichkeit, ein Monstrum. Die Schöpfer der
    künstlichen Intelligenz hatten ihre Computer sicher nicht mit so dreister Selbstüberhebung programmiert. Chakotay vermutete
    darin vielmehr ein Ergebnis der jahrtausendelangen Isolation.
    Die Entität hat sich nach und nach davon überzeugt, perfekt und unsterblich zu sein, überlegte er.
    Aber selbst Computer konnten sterben. Sogar ganz leicht.
    »NEIN!«
    Der Schrei schmetterte wie ein Hammer an seine Stirn. Er
    zeichnete sich nicht in dem Sinne durch Lautstärke aus, sondern
    eher durch die enorme Intensität des Protestes.
    »Das Wesen hat recht«, fuhr Mandel fort. Ihre Worte formten
    sich zwischen Chakotays Schläfen, obwohl er versuchte, sich
    ihnen zu widersetzen. »Es ist tatsächlich unsterblich und
    perfekter, als es biologische Organismen jemals sein können. Es
    war dazu berechtigt, mit den organischen Besatzungen der
    Schiffe zu experimentieren. Sie bestanden die Tests nicht,
    versagten dort, wo die KI nie versagen kann.«
    »Interessant.« Chakotay achtete darauf, daß sein Selbst klar
    und transparent blieb. Er hörte zu, verdrängte alle bewußten
    Gedanken daran, aufzustehen und zu dem Terminal zu gehen,
    von dem aus Daphne Mandel einen Kontakt zur künstlichen
    Intelligenz hergestellt hatte: Sie war nach oben geklettert, hockte nun auf dem Sessel. Er konzentrierte sich auf einen ruhigen See, auf kristallklares Wasser und die silbrigen Leiber kleiner Fische, die nach Nahrung suchten. Er atmete tief durch, erinnerte sich
    an den Duft von taufeuchtem Gras, an die Farbe des
    Morgenhimmels und an weiße Wolken, die sich auf dem See
    widerspiegelten.
    Damals hatte er sich auf diese Weise bewegt, eins mit der
    Umgebung.
    Sein Ich war geöffnet, und er lud die Bewohner der
    Geisterwelt ein, ihm hier Gesellschaft zu leisten. Er nahm nicht bewußt zur Kenntnis, daß er einen Fuß vor den anderen setzte
    und das Terminal erreichte. Daphne Mandel bemerkte ihn nicht.
    Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, der KI das Phänomen des
    Morgens zu erklären – immerhin hatte sich die künstliche Intelligenz nie auf einem Planeten befunden.
    Die kristallenen Vorsprünge waren viel zu lange der Kälte
    ausgesetzt gewesen und dadurch spröde geworden. Chakotay
    wußte nicht, ob sie sein Gewicht trugen. Vorsichtig griff er nach einem und zog sich hoch.
    Langsam, ganz langsam. Der Vorsprung hielt. Er setzte den
    Weg nach oben fort, verlagerte sein Gewicht wie in Zeitlupe von
    einem Kristall zum nächsten. Ständig hielt er das geistige Bild
    vom See fest:

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