Voyager 008 - Cybersong
Hinter dem fast völlig unbewegten Wasser ragte
eine Felswand empor; als Kind war er dort zusammen mit
seinen Freunden geklettert, auf der Suche nach Adlerfedern.
Er näherte sich Daphne Mandel und sah ihr Gesicht. Das
Glühen des Bildschirms und die seltsamen Farben der Kristalle
verliehen ihrer Miene etwas Gespenstisches. Verzückung zeigte
sich in den Zügen der Frau.
Es wurde immer heller in der Kammer. Vielleicht wollte die
KI Mandel beeindrucken, indem sie dafür sorgte, daß sich in
einer Ecke Licht zur vagen Gestalt des indigofarbenen Engels
verdichtete. Allerdings: Die Erscheinung blieb zweidimensional
und transparent wie ein Phantom.
Wahrscheinlich gab es hier keine holographischen
Projektoren. Der künstlichen Intelligenz standen an diesem Ort
nur Kommunikationsgeräte zur Verfügung, und sie versuchte
nun, diese Apparate zu einem ganz anderen Zweck einzusetzen.
»Es ist wunderschön«, hauchte Daphne Mandel.
Genau in diesem Augenblick schlang Chakotay ihr den Arm
um die Taille, neigte sich zur Seite und zog sie von dem hohen
Sitz herunter. In der geringen Schwerkraft baumelte sie hin und
her, nur vom einen Arm des Ersten Offiziers gehalten. Zum
Glück war sie klein und leicht.
Mandel versuchte, Widerstand zu leisten. Chakotay hielt sie
auch weiterhin fest.
»Fähnrich Mandel!« sagte er scharf und versuchte, sie zur
Vernunft zu bringen, den Kontakt zwischen ihr und der KI zu
unterbrechen. »Legen Sie mir die Arme um den Hals.«
Sie schickte sich an, der Aufforderung nachzukommen.
Geben Sie sie frei. Die Stimme erklang nicht nur in Chakotays Kopf, sondern tönte auch aus nahen Lautsprechern. Das
plötzliche Geräusch verblüffte ihn, und gleichzeitig zappelte
Mandel wie ein Fisch auf dem Trocknen.
Er ließ sie fallen.
Sie stürzte nur anderthalb Meter tief, und außerdem herrschte
keine hohe Gravitation. Der Aufprall schien trotzdem ziemlich
hart zu sein, und Mandel blieb reglos liegen.
Chakotay sprang sofort zu Boden und prüfte den Puls der
Kartographin. Sie lebte, und nichts deutete auf irgendwelche
Knochenbrüche hin. Doch die Augen waren verdreht, und
Mandel hatte das Bewußtsein verloren.
Chakotay zögerte nicht. Er hob die Frau hoch, legte sie sich
über die Schulter und klopfte auf seinen
Insignienkommunikator. »Medizinischer Notfall. Zwei Personen
für den unverzüglichen Transfer.«
Einen Atemzug später befand er sich im Shuttle und legte
Daphne Mandel auf zwei Sitze. Kes eilte sofort herbei, um sie
zu untersuchen.
»Sie verlor das Bewußtsein, als die Verbindung zur KI
unterbrochen wurde«, stellte die Ocampa nach kurzer Zeit fest.
»Ansonsten ist alles in Ordnung mit ihr. Es lassen sich keine
Verletzungen feststellen. Doch der Kontakt zu dem Wesen… Er
hatte tiefe Wurzeln in ihrem Selbst, und sein jähes Ende führte
zu einem Schock. Ich weiß nicht, wie ich sie behandeln soll. Wir müssen sie zum Doktor bringen.«
»Na schön«, brummte Chakotay und klopfte erneut auf seinen
Insignienkommunikator. »Lieutenant Torres, treffen Sie
Vorbereitungen für die Rückkehr zum Shuttle. Wir verlassen das
fremde Schiff.«
»Ich bin hier noch nicht fertig, Commander«, wandte
B’Elanna ein. »Ich brauche noch mindestens fünfzehn Minuten,
um die Akkumulatoren zu füllen.«
Chakotay sah auf die bleiche Daphne Mandel hinab und
dachte gleichzeitig daran, was es bedeutete, das energetische
Niveau in den Subsystemen der Voyager zu heben. »Ist es möglich, den Vorgang zu beschleunigen?« fragte er die
Chefingenieurin.
»Ich versuche es, kann jedoch nichts garantieren«, erwidere
Torres.
»Ich gebe Ihnen vier Minuten. Anschließend beamen wir Sie
an Bord, auch wenn die Akkumulatoren nicht ganz gefüllt sind.«
Chakotay nickte Tom Paris zu. »Wir müssen Mandel so schnell
wie möglich zur Krankenstation bringen.«
Nein. Sie muß hierbleiben. Ihr dürft sie nicht fortbringen!
Die KI heulte wieder in Chakotays Bewußtsein und aus allen
Kom-Lautsprechern des Shuttles.
»Sie braucht medizinische Hilfe«, sagte der Erste Offizier laut.
Er versuchte, ruhig zu bleiben, doch es fiel ihm sehr schwer.
»An Bord dieses Shuttles haben wir nicht die Möglichkeit, sie
zu behandeln. In der Krankenstation der Voyager gibt es dafür weitaus bessere Möglichkeiten. Helfen Sie uns dabei, die
Akkumulatoren im Maschinenraum zu füllen – um so schneller
kann Mandel behandelt werden.«
Sie muß hierbleiben, wiederholte die KI. Wenn ihr sie fortbringt,
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