Voyager 018 - Seven of Nine
Körper
erweckte einen fragilen Eindruck.
Bei den letzten Besprechungen hatte er ebenso wie die anderen
Offiziere erfahren, dass Seven an Halluzinationen litt. Harry
Kim lief rot an, als er eine davon beschrieb, und Paris
vermutete, dass er nicht alle Einzelheiten nannte. Wenn die
Sache nicht so besorgniserregend gewesen wäre, hätte man
vielleicht lächeln können bei der Vorstellung, dass Seven of
Nine, einst Mitglied des Borg-Kollektivs, in die Rollen eines
verspielten Kätzchens und einer alten Bildhauerin schlüpfte.
Paris stellte erstaunt fest, wie beunruhigt er war. Nun, Seven
hatte eine atemberaubende Figur, aber sie war auch kühl,
distanziert und sogar arrogant, was ihre Attraktivität wieder
einschränkte. Dennoch mochte Paris sie, und deshalb schmerzte
es, sie so hilflos zu sehen.
Er schwieg wie der Doktor, als er sich einen Verletzten nach
dem anderen vornahm. Zusammen behandelten sie
Knochenbrüche und Schnittwunden, boten hier und dort ein
ermutigendes Lächeln an. Nun, das war zumindest bei Paris der
Fall.
Nach erledigter Arbeit zögerte Paris – es widerstrebte ihm, die
Krankenstation zu verlassen.
»Nun, worauf warten Sie noch?«, fragte der Doktor. »Wollen
Sie nicht sofort zur Brücke zurück?«
Paris schüttelte den Kopf. Normalerweise fand er Gefallen an
verbalen Duellen mit dem holographischen Arzt, doch diesmal
war seine Sorge um die Frau auf dem Diagnosebett zu groß.
»Wie geht es ihr?«
»Ganz und gar nicht gut«, erwiderte der Doktor. »Seit vier
Stunden ist sie bewusstlos. In ihrem Gehirn findet erhebliche
Aktivität statt, und fast ständig bewegen sich die Augen.«
Paris stand neben dem Diagnosebett und sah, dass der Arzt
Recht hatte. Unter den geschlossenen Lidern waren Sevens
Augen in Bewegung. Ansonsten blieb sie völlig reglos –
abgesehen davon, dass sich die Brust beim Atmen langsam hob
und senkte.
»Was ist los mit ihr?«, fragte Paris leise.
»Wenn ich das nur wüsste. Leider können wir die Vögel nicht
sehen. Nach meinen Berechnungen müssten sich inzwischen
acht unsichtbare Raben in der Krankenstation befinden.
Vielleicht könnten sie uns etwas mitteilen.«
Seven hörte sie sprechen. Ihre Stimmen waren dumpf und leise,
aber gelegentlich verstand sie das eine oder andere Wort. Sie
drangen bis in die Halluzinationen vor, bis zu ihrer Teilnahme
an fremden Leben – Seven verglich sie mit einem angenehmen
Geruch, der ihr aus einer anderen Welt entgegenwehte. Doch
fast sofort verstummten sie wieder. Hier gab es weder Platz
noch Zeit für sie. Im Angesicht des Todes konzentriert man sich
nicht auf den Duft von Rosen oder die samtene Beschaffenheit
ihrer Blütenblätter.
Der Skorrak-Vogel war ihr entkommen. Seven spürte eine
Mischung aus Ärger und Enttäuschung, und sie knurrte leise.
Ihr Schwanz zuckte.
»Du hast dich gut herangeschlichen, kleine, süße Keela«,
sagte ihre Mutter. Die Worte spendeten Trost, aber die Stimme
klang abgelenkt, geistesabwesend. Seven drehte den Kopf und
stellte fest, dass ihre Mutter zum Himmel emporsah. Zuvor hatte sie einen Schatten bemerkt und vermutet, dass er von einer
Wolke stammte. Doch das war nicht der Fall. Ein großes,
würfelförmiges Raumschiff schwebte vor der Leben spendenden
Sonne.
Furcht erfasste Seven. Nie zuvor hatte sie ein solches Gebilde gesehen. Die Fremden, mit denen ihr Volk Handel trieb, kamen
in anderen Schiffen. Wer waren die Besucher? Was wollten sie?
Seven lief an die Seite ihrer Mutter zurück, vergaß den Skorrak und ihren vergeblichen Versuch, ihn zu fangen.
»Keela.« Die Stimme ihrer Mutter war jetzt ganz ruhig. »Geh
ins Haus. Jetzt sofort. Übermittle dem Rat eine Nachricht. Weise darauf hin, dass…«
Strahlen gingen von den würfelförmigen Schiffen aus. Sie
gleißten herab und schnitten Teile von Sevens Welt aus dem
Boden. Seven spürte heftige Erschütterungen, spreizte die Beine und fuhr die Krallen aus, um sich festzuhalten.
Um sie herum stürzten Gebäude ein. Gewaltige Bäume,
Jahrhunderte alt, neigten sich zur Seite und fielen. Seven wusste nicht, wie lang es auf diese Weise weiterging, aber als sie
schließlich den Kopf hob, sah sie Zerstörung in einem
unfassbaren Ausmaß.
Die Fremden hatten ihre Welt nicht nur angegriffen, sondern
raubten sie. Von ihrer Position aus konnte Seven bis zum
Zentrum der Stadt sehen, aber jetzt… Die Stadt war
verschwunden. Die Unbekannten hatten sie aus dem Leib der
Welt gerissen, so wie ein
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