Voyager 018 - Seven of Nine
Sie beherrschten die Telepathie
noch nicht, und deshalb war die warme Frühlingsluft erfüllt von ihrem fröhlichen Zirpen und Quieken. Sie sah zum Himmel
hoch, wie an jedem Tag, seit sie erfahren hatte, dass sich die Borg ihrer grünen Welt näherten. Ihr Partner war der Erwählte
des Kontinents Ioh und das Oberhaupt des Kreises der Sieben;
er hatte ihr versichert, dass bald Verstärkung eintreffen würde.
Nun, es war bekannt, wie grausam die Borg mit den Leuten
umgingen, die sie assimilierten, und die Vorstellung, dass sich solche Ungeheuer näherten, ließ Seven schaudern. Aber
bestimmt hielt sich der Imperator an die Vereinbarung und
schickt seine mächtigen Schlachtschiffe, um den Planeten zu
schützen. Außerdem wurde der Angriff erst in sechs
Sonnenkreisen erwartet…
»Was ist das?« fragte das jüngste Kind. Seven reckte den
langen Hals und hielt Ausschau.
Große würfelförmige Raumschiffe flogen durch die
Atmosphäre, und eine Stimme – beziehungsweise Hunderte,
Millionen von Stimmen – hallte durch die Stille des Morgens:
»Wir sind die Borg. Bereiten Sie sich darauf vor, assimiliert zu werden. Ihre biologischen und technischen Merkmale werden
unseren eigenen hinzugefügt. Widerstand ist zwecklos.«
Tamaak! dachte Rhiv. Der Feind ist früher als erwartet
gekommen, Tamaak!
In der Krankenstation lag Seven of Nine rücklings auf dem
Diagnosebett und begann zu schreien. Sie hielt die Augen
geschlossen, öffnete den Mund zu einem großen O und schrie
aus vollem Hals. Sie schrie, als Rhiv von Skeda assimiliert und
ihre Kinder in Stasistanks untergebracht wurden. Als To-Do-Ka,
Zarmuk und Shrri das gleiche Schicksal widerfuhr. Als die Borg
weitere Unschuldige aus ihrem bisherigen Leben rissen und in
Ihresgleichen verwandelten. Sie spürte den Tod ihrer
Persönlichkeiten, manchmal auch den Tod des Körpers. Eine
gnadenlose Reihe bildeten sie, Hunderte, Tausende. Ihre
Gesichter und Erinnerungen, ihre Liebe, erlittene Verluste,
Träume voller Hoffnung… Das alles wurde zu einem integralen
Bestandteil ihres Selbst und bescherte ihr unerträgliche Pein, als sie immer und immer wieder starb.
Durch den Vorhang aus Schmerz hörte sie Stimmen, fühlte
warme Hände und sogar Lippen an der schweißfeuchten Stirn.
Man gab ihr zu verstehen, dass man sich um sie, Seven of Nine,
kümmerte, dass sie sich in Sicherheit befand.
Sie erkannte nicht einmal den Namen.
Sie war niemand und alle. Bezeichnungen bedeuteten nichts
und alles. Sie schrie, bis ihre Stimme versagte, und anschließend
keuchte sie nur noch.
Was hast du angestellt?
Der Gedanke traf Imraak mit der Wucht eines Angriffs, und
der andere Skedaner wich erschrocken zurück. Er taumelte,
fasste sich dann wieder.
Ich habe Maßnahmen beschlossen, die es sofort zu ergreifen
galt, als wir an Bord kamen, erwiderte er mit heißen, zornigen Gedanken. Alle unsere Anstrengungen haben wir auf eine Sache
konzentriert, auf diese eine, heilende Sache, und sie stand uns im Weg! Sie hätte alles ruinieren können!
Das telepathische Äquivalent eines lauten Streits lockte die
übrigen Skedaner an. Shemaaks Ohren zitterten aufgeregt, und
sie schien sich einmischen zu wollen, aber Imraak hob die Hand
und durchbohrte sie mit einem wütenden Blick. Verwirrt hielt
sie sich zurück.
Du bringst die Frau um! protestierte Tamaak.
Um so besser.
Sie ist unschuldig! Wir töten keine…
Imraaks Antwort hallte durch Tamaaks Bewusstsein und
bereitete ihm pochende Kopfschmerzen. Er schnappte nach Luft,
als Imraak in den telepathischen Äther rief:
Unschuldig? Sie ist eine Borg, Tamaak! Hast du das
vergessen, Tamaak? Bedeutet dir der Verlust deiner Partnerin
und Kinder so wenig, dass dir die Qual derjenigen Kummer
bereitet, die für ihr grässliches Schicksal verantwortlich ist?
Zorn quoll in Tamaak empor, und er versuchte nicht, seine
Gedanken und Empfindungen abzuschirmen. Imraak zuckte
zusammen, und die in seiner Nähe stehenden Skedaner wichen
fort. Wie kannst du es wagen, das Ende meiner Familie als
Argument gegen mich zu verwenden? Du ahnst nicht…
Tamaak unterbrach sich. Er hatte darauf hinweisen wollen,
dass Imraak nichts von seinen Gefühlen wusste, aber das
entsprach wohl kaum der Wahrheit. Er kannte sie genau. Auch
er hatte Familienmitglieder verloren, wenn auch keine Partnerin
– die musste er erst noch wählen. Imraaks Eltern, seine
Geschwister, die Verwandten… Sie alle waren ums Leben
gekommen, als die Borg die
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