Voyager 018 - Seven of Nine
die letzte aller Grenzen zu
erforschen. Sie war so oft mit dem Tod konfrontiert gewesen,
dass es ihr schwer fiel zu glauben, diesmal wirklich keine
Chance mehr zu haben.
Ein Teil von ihr dachte voller Zorn daran, dass Tamaak
Tausende von Unschuldigen umbringen wollte. Damit
enttäuschte er Janeway sehr. Sie hatte nicht geglaubt, dass er zu
so etwas fähig war. Doch hier sah sie den Beweis: eine
leuchtende Kugel, die zur Bühne fiel, um vor dem Imperator zu
explodieren.
Aber es kam nicht zu einer Explosion.
Die Kugel zerbrach wie Glas. Splitter flogen in alle
Richtungen, und glühender Dunst stieg auf, bewegte sich so, als
stecke Leben in ihm. Er wandte sich hin und her, strebte dann in
Beyteks Richtung. Der sonderbare Nebel drang ihm in Nase,
Augen und Mund, schien ihn geradezu zu vergewaltigen. In
Agonie neigte er den Kopf nach hinten, gab jedoch keinen Laut
von sich.
Und dann blieb er nicht länger still.
Beytek öffnete den Mund so weit wie nie zuvor und stieß die
grässlichsten Laute aus, die Janeway jemals gehört hatte. Sie
schnitten durch ihre Seele. Ihr eigener Mund klappte auf, zu
einem lautlosen Schrei der Pein. Sie sank auf die Knie und
presste die Hände an die Ohren, um sich vor den schrecklichen
Geräuschen zu schützen.
Das Kreischen bestand nicht nur aus Stimmen, sondern schien
aus Geist und Seele zu kommen. Von einem Augenblick zum
anderen begriff Janeway, was sie hörte: die letzten Gedanken
und Gefühle von Milliarden Skedanern, als sie das Ende ihrer
Welt kommen sahen.
Janeway rollte sich auf der Bühne zusammen, und heiße
Tränen des Mitgefühls rannen ihr über die Wangen. Sie konnte
kaum mehr atmen und schluchzte hilflos, war in der Macht von
Tamaaks Waffe so gefangen wie eine Fliege in einem
Spinnennetz.
Um sie herum reagierten die anderen Personen auf ähnliche
Weise. Janeway hätte nie gedacht, Tuvok einmal weinen zu
hören.
Als die Torte geöffnet wurde, begannen die Vögel zu singen –
war das nicht ein schmackhaftes Mahl, um für einen König zu
erklingen? Tausende erlebten das von Tamaaks Waffe
verursachte Chaos, doch nur Seven weinte voller Freude.
Endlich wusste sie, was es mit dem Kinderreim auf sich hatte.
Dies war die Bedeutung der vierundzwanzig schwarzen Vögel.
Die ganze Zeit über hatte sie nicht nur die Präsenz der Waffe
gespürt, sondern auch von ihrer Wirkung gewusst.
Die Torte war geöffnet worden, und jetzt sangen die Vögel.
Sie sangen mit den Stimmen der Unschuldigen, die unsagbares
Leid hatten ertragen müssen. Und es war ein schmackhaftes
Mahl für den Imperator, der ganz allein die Verantwortung trug.
Alle hörten die psychischen und physischen Schreie der
Sterbenden, selbst jene, die das Geschehen auf Bildschirmen
beobachteten.
Aber nur Beytek fühlte die Schmerzen eines ganzen
sterbenden Volkes.
Tränen quollen aus Sevens einem organischen Auge und
rannen ihr über die Wange. Sie hob den Kopf und sah
vierundzwanzig schwarze Vögel, die in einem engen Kreis
flogen. Und dann, so schnell hintereinander, dass der Vorgang
nur wenige Sekunden dauerte, verschwanden jene Personen,
deren Erinnerungen Seven geteilt hatte.
Sie schluchzte voller Kummer, als sie nach Tagen in der
Gesellschaft von Tausenden jähe Einsamkeit spürte. Plötzlich
war sie wieder allein. Die Vögel flogen immer schneller, bis sie
vor Sevens tränennassen Augen zu einer neuen Gestalt
verschmolzen, der Gestalt eines Mädchens.
Annika Hansen lachte und drehte sich fröhlich um die eigene
Achse, wodurch ihr weißes Kleid wehte und sich in Schwingen
zu verwandeln schien. Ihr blonden Locken wogten hin und her.
Schließlich verharrte sie und sah Seven of Nine an. Sie lächelte,
zeigte dabei perfekt geformte weiße Zähne, hob die Hände zu
den Lippen und warf Seven einen Kuss zu.
Dann verschwand sie.
24
Die Stille übte wie etwas Substantielles Druck auf Janeways
Ohren aus. Ihr Körper schien eine ganze Tonne zu wiegen, als
sie versuchte, den Kopf zu heben und das Haar aus den Augen
zu streichen.
»Beytek«, krächzte sie. Neben ihr standen Tuvok und Neelix
auf. Sie wirkten ebenfalls erschöpft.
Beytek befand sich dort, wo Janeway ihn zuletzt gesehen
hatte. Er rührte sich nicht von der Stelle, blieb so reglos wie eine Statue, die Augen weit aufgerissen. Der Mund war noch immer
geöffnet, aber jetzt kam kein Laut mehr daraus hervor. Im einen
Mundwinkel bildete sich ein silbergrauer Speichelfaden. Die
Augenbeutel
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