Voyeur
die Tür und nahm den Hörer ab.
«Hallo, Donald. Hier ist Charles Dryden.» Die sonore Stimme klang ziemlich blasiert. «Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen,
dass ich ein paar Stücke erworben habe, an denen Sie interessiert sein könnten.»
Früher einmal hätte sich allein bei dieser Ankündigung mein Magen vor Aufregung verkrampft. Dryden war ein Kunsthändler,
der auf Erotika spezialisiert war. In der Vergangenheit hatte ich ein paar Geschäfte mit ihm gemacht, obwohl ich den Mann
nicht besonders mochte. Er hatte kein Gefühl für die Werke, die durch seine Hände gingen. Für ihn waren es lediglich Handelsobjekte,
die er allein wegen ihres Marktwertes schätzte. Aber er hatte seine Fähigkeiten. Durch ihn war ich zu einigen schönen Gemälden
gekommen. Und indirekt musste ich ihm für meine gegenwärtige Situation |332| danken – oder ihn verfluchen. Denn im Hinterzimmer seines Ladens war ich auf die Fotos von Zeppo gestoßen, die nicht für
die breite Masse bestimmt waren.
Doch statt wie früher aufgeregt zu sein, spürte ich nun nur eine leichte Neugier. «Ach ja?»
«Zwei Drucke von Rowlandson. Und einen Füssli.» Den letzten Namen hatte er mit einem gewissen Triumph von sich gegeben.
«Einen Füssli? Echt?»
«Selbstverständlich.» Er klang etwas empört. Trotz seiner krämerhaften Motive besaß er Berufsehre. «Zweifellos. Ich schätze,
es ist eine seiner späteren Kurtisanenzeichnungen. Sie stammt aus der gleichen Sammlung wie die Rowlandsons. Alle Werke haben
eine untadelige Herkunft. Aber der Füssli ist etwas ganz Besonderes. Absolut exquisit.»
Der letzten Information misstraute ich, da Drydens Einschätzungen immer rein finanzieller Natur waren. Aber was die Echtheit
seiner Ware anbelangte, irrte er sich selten, und ein Füssli, ob nun exquisit oder nicht, war tatsächlich eine Entdeckung.
Jeder ernsthafte Sammler würde ihn unbedingt besitzen wollen. Vor nicht allzu langer Zeit wäre es mir genauso gegangen. Doch
jetzt erlebte ich mich völlig ungerührt.
«Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir Bescheid geben, aber ich glaube, ich werde verzichten müssen», sagte ich.
«Ach.» Drydens Überraschung war offensichtlich. «Es sind alles exzellente Stücke. Besonders der Füssli. Ich bin mir sicher,
dass er sehr nach Ihrem Geschmack wäre.»
«Gut möglich, aber ich muss dennoch nein sagen.»
«Tja, das ist natürlich Ihre Sache. Aber ich glaube, Sie werden |333| es bereuen. Vielleicht wollen Sie ein Blick darauf werfen, bevor Sie sich entscheiden …?»
«Das ist nicht nötig. Ich bin im Moment wirklich nicht daran interessiert, etwas zu kaufen.»
Sein Ton veränderte sich leicht. «Vielleicht sind Sie daran interessiert zu verkaufen? Ich weiß, dass Sie selbst eine ansehnliche
Sammlung besitzen. Wenn Sie in Erwägung ziehen, eine paar Stücke davon zu veräußern, werden wir uns bestimmt einigen können.»
Entsetzt wurde mir klar, dass er dachte, ich hätte finanzielle Probleme. Meine Abneigung gegen ihn wuchs. «Ich habe weder
die Absicht zu kaufen, noch zu verkaufen. Im Moment will ich meine Sammlung einfach nicht erweitern.»
Er bemerkte die Kälte in meiner Stimme. Da ich nun kein potenzieller Geschäftspartner mehr war, reagierte er entsprechend.
«Wie Sie wollen, Mr. Ramsey. Ich muss Ihnen sicherlich nicht sagen, welche Gelegenheit Sie sich entgehen lassen. Aber Sie werden Ihre Gründe haben.
Sollten Sie Ihre Meinung ändern – egal in welcher Hinsicht –, Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen können.»
«Danke. Ich glaube, das wird nicht geschehen.» Ich legte auf, bevor er es tun konnte. Dass er es gewagt hatte, mich gönnerhaft
zu behandeln, hatte mich wütend gemacht. Der Mann war nichts weiter als ein gewöhnlicher Kaufmann. Und ich zweifelte keine
Sekunde daran, dass Dryden bereits andere mögliche Kunden angerufen hatte oder anrufen wollte, um sie in einer verdeckten
Auktion gegeneinander auszuspielen. Ich war froh, dass ihm mit mir zumindest ein potenzieller Bieter abgesprungen war. Doch
als ich mich beruhigte, begann ich darüber nachzudenken, was er gesagt |334| hatte. Möglicherweise hatte er gar nicht so unrecht. Obwohl ich keine finanziellen Probleme hatte, sollte ich vielleicht
in Erwägung ziehen, einen Teil meiner Sammlung zu verkaufen. Sie übte keinen Reiz mehr auf mich aus, und es machte keinen
Sinn, etwas zu behalten, wenn die Leidenschaft dafür erloschen war.
Dann fiel mir mein Treffen mit Zeppo
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