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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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sie.
    «Die Getränke sind in Arbeit.» Plötzlich schien er voller Energie zu sein. «Gott, wir waren gerade bei der schlimmsten Dinnerparty
     der Welt», verkündete er. Die Gruppe hörte ehrfürchtig zu, als er einen übertriebenen Bericht unseres Martyriums ablieferte.
     Er wurde mit schrillem Gelächter aufgenommen. «Ehrlich, ich dachte, ich penne da direkt auf dem Tisch ein.»
    Die Getränke wurden gebracht. Ich bekam ein mexikanisches Bier serviert. «Woher kennst du Zeppo?», fragte ein braungebrannter
     junger Mann Anna.
    «Durch Donald.» Sie zeigte auf mich. «Aber ich kenne ihn noch nicht besonders lange.»
    Wie lange ich ihn schon kannte, interessierte den jungen |81| Mann nicht. Er wollte Anna gerade etwas anderes fragen, als ihm Zeppo ins Wort fiel. «Donald ist ein sehr erfolgreicher Kunsthändler.»
     Jetzt wurde ich schon mit wesentlich mehr Anerkennung angeschaut. «Anna hat das Glück, für ihn arbeiten zu dürfen. Und Marty
     hier ist Ethnologe.»
    Als sich die Aufmerksamkeit auf Marty richtete, schien er immer kleiner zu werden. «Ich studiere Ethologie. Verhaltensforschung.»
    «Ach, du meinst so was wie Körpersprache und so?», fragte eine nichtssagend schöne Frau mit wasserstoffblondem Haar und
     dichten, dunklen Augenbrauen.
    «Das ist ein Teil davon. Aber es steckt ein bisschen mehr dahinter», sagte Marty.
    «Was zum Beispiel?», wollte ein junger Mann mit Dreadlocks wissen.
    Marty fasste an seine Brille. «Also, die Ethologie befasst sich vor allem mit Formen des sozialen Verhaltens wie Kommunikation
     und dem Verhalten einer Gruppe.» Er zuckte mit den Schultern. «Es ist im Grunde ziemlich dröge.»
    Ein paar Leute am Tisch kicherten. Zeppo wandte sich mit einem leicht herablassenden Lächeln an Marty. «Erforschst du uns
     jetzt?»
    Marty lächelte und schüttelte den Kopf. «Keine Angst. Ich bin nicht ständig bei der Arbeit.»
    «Aber es muss doch toll sein», meinte Zeppo, «wenn man an der Art, wie sich jemand an der Nase kratzt oder so, erkennt,
     ob er lügt.» Jeder musste merken, dass er Marty provozieren wollte.
    «Na ja, ganz so einfach ist es nicht.»
    «Nein?»
    |82| «Nein.» Martys Hand bewegte sich wieder zu seiner Brille, berührte sie kurz und senkte sich dann. «Wenn sich jemand an der
     Nase kratzt, kann das ein Hinweis darauf sein, dass er lügt oder nervös ist. Andererseits juckt ihm vielleicht nur die Nase.
     Das hat mit exakter Wissenschaft nicht viel zu tun.»
    «Du kannst also an der Art, wie ich sitze, nicht ablesen, was ich denke?», meinte die Blondine. Sie hatte ihren Ellbogen
     auf den Tisch gestützt, ihr Kinn auf die Hand gelegt und starrte ihn gespannt an. Außerdem bot sie ihm eine beachtliche Aussicht
     in ihr Dekolleté. Marty warf kurz einen Blick darauf und schaute dann schnell weg.
    «Äh   … nein.»
    Zeppos Lächeln wandelte sich zusehends zu einem spöttischen Grinsen. «Ach was, ich wette, du bist nur bescheiden», sagte
     er. «Du kannst doch bestimmt mehr dazu sagen. Was ist zum Beispiel mit mir? Was sagt dir mein ‹Verhalten›?» Man sah Marty
     an, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. «Ich kann wirklich nicht   …»
    «Ach, komm schon. Nachdem du dich so lange damit beschäftigt hast, wirst du doch wenigstens eine Vermutung riskieren können.»
    Die anderen Leute am Tisch feuerten ihn an. Anna betrachtete Marty leicht besorgt. Ich hoffte, dass Zeppo nicht zu plump
     wirkte. Marty zuckte widerwillig mit den Achseln. «Okay, wenn du unbedingt willst.» Zeppo lächelte hochmütig. Marty betrachtete
     ihn und holte tief Luft.
    «Also, die Art, wie du dich vorbeugst, die Beine breit, und mich direkt anschaust, deutet darauf hin, dass du selbstsicher
     bist. Vielleicht sogar angriffslustig. Da du jetzt schon eine Weile aggressive Signale ausgesandt hast, würde ich sagen, |83| dass du dich entweder bedroht fühlst oder deine Dominanz über die anderen Männer in der Gruppe beweisen willst. Wenn du ein
     Gorilla wärst, würdest du dir wahrscheinlich auf die Brust trommeln und brüllen.»
    Zeppo rutschte etwas auf seinem Stuhl umher. «Aha, jetzt beginnst du dich ein bisschen unwohler zu fühlen», fuhr Marty fort.
     «Du weichst ein Stückchen zurück und schiebst deine Beine zusammen, was darauf schließen lässt, dass du dich nicht mehr
     ganz so selbstsicher fühlst – und jetzt beugst du dich wieder nach vorn und zeigst weitere Aggressionsmerkmale, weil dir
     wahrscheinlich nicht gefällt, was ich gesagt habe. Jetzt

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