VT02 - Der gierige Schlund
Bergs vordrangen.
***
Er spürte so etwas wie Erleichterung, als sie endlich die schreckliche Leere, die über ihren Köpfen gedroht hatte, hinter sich ließen. Obszönes Blau, so unendlich weit entfernt, manchmal getupft mit weißen Farbklecksen, und dann dieses heiße, glühende Gestirn, das seine Wut auf ihn und Seinesgleichen hinabbrüllte – dies alles hatte ungeahnte Gefühle erzeugt. Einerseits meinte er, Altbekanntem wieder zu begegnen. Etwas, das er in früheren Tagen als lebensnotwendig erachtet und mit jeder Faser seines Leibs herbeigesehnt hatte. Andererseits erschien ihm eine derartige Farbenpracht als widerlich. Sie leitete die wenigen Gedanken, die er klar zu fassen vermochte, in eine ungewünschte Richtung ab. Ließ ihn Dinge empfinden, für die er nicht – nicht mehr? – geeignet war.
Das Nahrungswesen schrie, weinte und zeterte nach wie vor. Es tat dies mit einer Unermüdlichkeit, die selbst ihm so etwas wie Respekt abrang. Immer wieder schreckte die Menschenfrau vor seinen Berührungen zurück, greinte und jammerte. Auch hustete sie und spuckte Schleim. Die Luft, die ein wenig verändert schmeckte, bekam ihr offenbar nicht.
Er blickte sich um und versuchte sich an den Weg hinab in ihr Reich zu erinnern. Er hatte sich Spuren im Fels gemerkt. Sein Gedächtnis funktionierte ausreichend, gab ihm immer wieder die notwendigen Hinweise.
Das Licht ihrer Lampen glitt über die Wände. Sie gelangten zu einer weiteren Weggabelung. Er hielt seine Begleiter an zu warten. Schloss die Augen, genoss die absolute Dunkelheit, die er so lange vermisst hatte, begann sich zu erinnern.
Sie mussten nach links gehen. Den schmalen Gang hinab, dessen Ende von einer schmackhaften Kolonie achtbeiniger, fingerlanger Kriecher verteidigt worden war, als sie den Weg ans Tageslicht gesucht hatten. Die Tiere hatten ihnen allen ausgezeichnet geschmeckt.
»Gruh!«, befahl er, und marschierte voran.
Es ging grob behauene Treppen abwärts. Tiefer, immer tiefer. Dem Ziel entgegen. Es war nicht mehr weit. Dort wo die Tiere gehaust und ihre Wabennester aus Speichel errichtet hatten, mussten sie nur noch drei weitere Richtungsänderungen vornehmen – dann war die heimatliche Sicherheit erreicht.
Die letzte Stufe. Er blickte sich um.
Da war keine Spur von aufgebrochenen Insektenschalen. Keine Nester. Kein Weg, den sie weiter verfolgen konnten. Bloß ein Kriechgang, so schmal, dass sie das Nahrungswesen unmöglich würden hindurchquetschen können.
Sie hatten sich verirrt.
***
Kinga marschierte auch jetzt voran. Zeigte Mut, zeigte Ausdauer, riss die anderen trotz Murrens immer wieder mit.
Er beobachtete jene Spuren, die nicht natürlichen Ursprungs sein konnten. Auch hier, unter Tage, mussten Menschen am Werk gewesen sein. Menschen, keine Gruh! Sie hatten gewaltige Löcher in das Gestein gedrillt und überall ihre Spuren hinterlassen. Das Licht der rauchigen Lampen glitt über seltsame Schriftzeichen hinweg: über verrostete Tafeln, die Blitzsymbole oder Totenköpfe zeigten; über Schnüre mit metallenem Inneren, die von der Decke hingen und in kleinen Glasgefäßen mündeten; über schwere schwarze Balken, die auch heute noch das Gewicht des Bergs trugen. Das alles war vor vielen Generationen geschehen, wenn er die Zeichen der Zeit richtig deutete.
Der breite Weg, dem sie bislang gefolgt waren, mündete in einem größeren Raum. Vorsichtig traten sie in das Oval. Links und rechts öffneten sich acht weitere Zugänge. Die flackernden Fackeln erzeugten irritierende Bilder, die gegen die Wände geworfen wurden und Angst erzeugten.
»Sucht die Öffnungen ab!«, befahl Kinga leise. Ihre Schritte und Worte, ja selbst ihre Atmung musste weithin zu hören sein. »Geht nicht mehr als ein paar Meter vorwärts. Irgendwo finden sich sicherlich Hinweise der Prinzessin.«
Seine Begleiter gehorchten, allen voran die Drillingsbrüder. Sein selbstloser Einsatz, mit dem er Pjoost aus einer schier aussichtslosen Situation gerettet hatte, nahm sie für ihn ein.
Andere, wie zum Beispiel Vater und Sohn Knijge und Limpuna, die Mannsfrau, ließen sich immer wieder auf längere Gespräche mit Zander ein. Sein Onkel schürte weiterhin das Feuer.
Zwei Gänge waren durch herabgestürzte Balken und mitgerissenes Erdreich unbegehbar geworden. In einem weiteren Durchgang hockte eine dicke Spinne, deren Netz Wochen oder Monate alt sein musste. Was auch immer das nahezu faustgroße Geschöpf zu fangen hoffte – ihr Gespinst war unversehrt. Die Gruh
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