VT03 - Tod in den Wolken
keinen Spaß, mit jemanden zusammen zu sein, der einen nicht leiden mag!« Nabuu setzte ein schiefes Lächeln auf.
Tala reagierte zunächst irritiert. »Wie? Was…« Sie suchte nach Worten. Das, was sie für Nabuu empfand, war schwer zu beschreiben. In seiner Nähe fühlte sie sich unsicher. Das war sie nicht gewohnt. Was er sagte oder tat, brachte sie einfach durcheinander. Das ärgerte sie. Gleichzeitig war sie auch gerne mit ihm zusammen! Aber wie sollte sie ihm das begreiflich machen? Sie konnte es sich ja selbst kaum erklären!
Ach, soll er doch alleine losziehen. Ich hab was Besseres zu tun! Sie hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, als sie sich sagen hörte: »Es liegt nicht daran, dass ich dich nicht leiden kann! Wir hatten einfach einen schlechten Start.« Sie lächelte Nabuu verlegen an. »Ich könnte dir unsere Marktplätze zeigen! Magst du gebackene Nüsse?«
Von da an gestaltete sich der Tag ganz wundervoll für Nabuu. Sie aßen Kuchen und Nüsse – und warfen die Schalen in die Sammelbehälter der Straßenbaugilde –, tranken Tee und exotische Säfte. Sie schlenderten über die Plätze, beobachteten die Händler, die ihre Waren lautstark feil boten und die Einwohner der Wolkenstadt, die durch die Straßen flanierten. Und auch sie wurden beobachtet. Immer öfter stellte Nabuu fest, dass die Leute Tala und ihm mit dieser Mischung aus Furcht und Verachtung begegneten. Je weiter sie sich den Außenbezirken näherten, umso feindseliger schienen ihm die Menschen.
Vom Äußeren Ring der Stadt bekam Nabuu nicht viel zu sehen. Auch jetzt lag er im Gegensatz zum Rest in einem diffusen Licht. Nur ein Gebäude war hell erleuchtet. Über seinem Dach schwebte einer der mächtigen Stabilisierungsballons. Es war das Haus der Heiler. Die Hofbediensteten und die einfachen Leute konnten hier Arznei und ärztliche Behandlung bekommen. Nabuu dachte an Vietsge, die Apothekerin von Kilmalie. Das würde ihr gefallen!
Tala berichtete, dass es in dem Haus sogar eine Pathologie gab.
»Was ist das, eine Pathologie?«, fragte Nabuu.
»Hier werden Verstorbene untersucht, deren Todesursache nicht klar oder eine ansteckende Krankheit ist. Auch dein Gruh ist da drinnen!«
Tala betonte »dein Gruh« in einer Art, die Nabuu aufhorchen ließ. »Es ist nicht mein Gruh! Es ist ein entsetzliches Wesen, und ich wünschte nicht einmal meinem schlimmsten Feind eine Begegnung mit diesen Kreaturen!«
Tala schaute ihn erschrocken an. »Entschuldige, so habe ich das nicht gemeint!« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. Nabuu griff danach und umschloss sie mit seinen Fingern. Tala ließ es geschehen. Ihre Haut war weich wie Samt.
»Kommst du hierher, wenn du krank oder verletzt bist? Oder lässt du dich von den Hofärzten behandeln?«
Tala lachte. »Ich brauchte noch nie ärztliche Hilfe. Bislang kam ich mit den Methoden, die ich in meinem Dorf gelernt habe, gut zurecht. Ich benutze für Wunden oder Schmerzen die Heilpflanzen aus den kaiserlichen Gewächshäusern. Trotzdem bin ich oft hier im Heilerhaus. Meine Freundin arbeitet hier. Sie heißt Maddy.« Dass es ihre einzige Freundin war, verriet sie ihm nicht.
Das erste Mal, seit er in Wimereux angekommen war, entdeckte Nabuu etwas Weiches, Verletzliches in Talas Gesicht. »Seit wann lebst du hier?«
»Seit zwei Jahren. Mit sechzehn holte mich mein Onkel hierher. Wie du war ich begeistert und fasziniert von dieser Stadt. Aber ich wünsche mir oft, in mein Dorf zurückkehren zu können. Im Dschungel herumzustreunen. Mit meiner Ambaasi neue Kampftechniken zu erproben und mit meiner Großmutter zu sprechen.«
»Besuchst du sie ab und zu?«
Tala senkte den Kopf. »Sie ist tot. Ich bin bei ihr aufgewachsen, als meine Eltern an der großen Seuche starben. Außer ihr hatte ich keine Familie mehr in meinem Dorf. Nur meinen Onkel. Und der lebt hier.«
Nabuu nickte. Er wusste, wie es war, ohne Eltern aufzuwachsen. »Ich war ein Findelkind und wuchs bei Zhulu auf, dem Quarting unserer Stadt. Ein wortkarger Mann, der besser mit wilden Maelwoorms umgehen kann als mit kleinen Kindern. Aber er ist wie ein Vater für mich. Und dann ist da noch Kinga, mein Freund.« Nabuu schaute über die Palisaden. Im schwachen Schein der Mondsichel sah er in der Ferne die dunklen Umrisse eines Dschungels. Er hoffte inständig, dass die beiden noch am Leben waren.
Tala betrachtete ihn nachdenklich. Über seine Stirn zog sich eine tiefe Sorgenfalte. In der Tätowierung schien der Raave seine Schwingen
Weitere Kostenlose Bücher