VT03 - Tod in den Wolken
zusammenzufalten. »Sorge dich nicht, Nabuu. Der Kaiser wird Kilmalie retten!«
Nabuu wandte ihr sein Gesicht zu. In seinen großen braunen Augen lag ein geheimnisvoller Glanz. Er versuchte zu lächeln. »Wenn es nur noch nicht zu spät ist«, flüsterte er. Er spürte Talas Atem auf seinem Gesicht. Zögernd näherten sich ihre Lippen seinem Mund. Nabuu schloss die Augen.
Plötzlich ertönte von unten eine laute Stimme. »Hey, ihr da oben! Ist das euer Trivelo?«
Nabuu und Tala fuhren zusammen. Sie beugten sich über die Balustrade aus Bambus und schauten nach unten.
Ein junger Mann stand breitbeinig neben dem Gefährt. Sein breiter Oberkörper war nackt und von seinen Armen glänzten Kettenbänder. »Falls es euch nicht gehört, ist es jetzt meines! Falls es euch gehört, ist es jetzt ebenfalls meines!« Seine Riesenpranke tätschelte den Zeebrasitz.
»Untersteh dich!«, rief Tala und rannte zur Leiter. Nabuu griff sich ein Seil, das von den Palisaden hing, und schwang sich nach unten.
Er rannte zu dem Kerl und zog ihn vom Trivelo weg.
»Sachte, sachte«, grinste der Bursche. In der oberen Zahnreihe fehlten ihm zwei Zähne. Seine langen Haare waren rot gefärbt und hingen zu unzähligen Zöpfen vom Kopf. Seine Hautfarbe war so hell wie die der Apothekerin von Kilmalie. Ein Mulatte. Nabuu suchte vergeblich nach einem Totem auf der Stirn des Jungen.
»Was sucht ein kleiner unbewaffneter Gardist im Niemandsland von Wimereux?«, rief der Rothaarige.
Nabuu fragte sich, wie der Bursche das große Stadtmesser in seinem Gürtel übersehen konnte und warum er seine Frage so laut stellte.
Inzwischen war Tala herbei geeilt. Ohne den Fremden zu beachten, stieg sie auf das Trivelo. »Komm, Nabuu, lass uns von hier verschwinden!«
Nabuu zögerte noch. Das nutzte der Zahnlose aus und stellte sich ihm in den Weg. »Gehorche ihr, kleiner Gardist, sonst musst du diese Nacht alleine in deinem Bett verbringen«, raunte er ihm zu.
»Aus dem Weg!«, knurrte der Kilmalier. Aber der Junge lachte nur. »Was, wenn ich es nicht tue?«
»Lass es gut sein, wir verschwinden ja schon!«, mischte sich Tala ein.
»Das wäre mir auch am liebsten. Wenn du und diese ganze De-Rozier-Brut verschwinden würden. Und zwar für immer!«, blaffte der Bursche in ihre Richtung.
Jetzt reichte es Nabuu. Er packte den Kerl am Arm und zerrte ihn zur Seite. »Du hast keine Manieren, Bursche. Und ich habe keine Lust, sie dir beizubringen! Also, mach, dass du weg kommst, bevor ich es mir noch anders überlege!« Damit stieß er ihn von sich und trat den Rückweg zu Tala an.
Die Leibwächterin seufzte. »Das hättest du nicht tun sollen!« Kopfschüttelnd stieg sie von ihrem Trivelo.
Nabuu hob die Schultern. »Warum?«
Tala deutete hinter sich. »Darum!« Aus den Schatten unter den Palisaden lösten sich mehrere Gestalten. Langsam umringten sie Nabuu und Tala. Sie gehörten offensichtlich zu Zahnlücke.
***
Im Hinterland von Wimereux-à-l’Hauteur
Der Kaiser strich Naakiti über das Haar. Sie stand immer noch unter Schock. Ein Heiler aus einem der Dörfer hatte ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Jetzt war sie endlich eingeschlafen. Pilatre betrachtete das schöne Gesicht seiner Frau und küsste sie sanft auf die Stirn. Leise verließ er das Zelt.
In der Mitte des Basislagers brannte ein großes Feuer. An langen Tischen saßen Männer und Frauen aus den umliegenden Dörfern. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht vom Tod der Bestie verbreitet. Sie alle waren gekommen, um de Rozier zu feiern, der sie von dem Übel erlöst hatte.
Sie hatten sich um die Zelte gedrängt und nach ihrem Kaiser verlangt. Der zeigte sich nicht. Dafür aber sein Kriegsminister.
Für Wabo war es ein großes Opfer, sich ohne Prothese zu präsentieren. Aber was sollte er machen? Die Bestie hatte nicht mehr viel von dem künstlichen Bein übrig gelassen, und Pilatre wünschte nicht gestört zu werden. Also hüpfte Wabo von zwei Dienern gestützt auf einem Bein an den Tisch. Die Leute jubelten ihm zu und wollten alles über den Kampf wissen.
Auch jetzt noch hingen sie an Wabos Lippen, der gerade zum wohl hundertsten Mal den Kampf mit der Bestie schilderte. Seine Zuhörer bekamen nicht genug davon. Sie wollten jede Einzelheit beschrieben haben.
Der Kaiser lächelte bei dem Gedanken daran, was sein Freund alles für ihn auf sich nahm. Wabo war kein Mann großer Worte. Er liebte Geschichten, hasste es aber, wenn er selbst eine erzählen sollte. Trotzdem gab er sich alle
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