VT03 - Tod in den Wolken
Mühe, um die begeisterten Menschen von Pilatre abzulenken. Jetzt sollte er erlöst werden.
Pilatre schritt zu dem Tisch und setzte sich neben seinen Freund. Er erntete sofort laute Jubelrufe und von Wabo einen dankbaren Blick. Der Kaiser hob die Arme. »Der eigentliche Held ist Wabo Ngaaba!«, rief er in die Menge. »Hätte er die Bestie nicht abgelenkt, so würden meine geliebte Frau, ihre Zofen und die Wächter nicht mehr leben!« Er klopfte Wabo auf die Schulter. »Sogar sein Zauberbein hat er geopfert!«, setzte er noch einen drauf.
Jetzt war kein Halten mehr. Jubelrufe erschallten, Trommeln erklangen. Männer und Frauen tanzten um den Tisch herum und sangen Wabo eine Lobeshymne. Die Diener hatten Mühe, sich zwischen ihnen hindurchzudrängen, um das Essen aufzulegen und die Weinkelche zu füllen.
Wabo schüttelte verlegen den Kopf. »So war es nicht«, raunte er Pilatre zu.
»Es war, wie es war! Hauptsache, ihr alle seid am Leben«, entgegnete der Kaiser und prostete seinem Freund zu.
Wabo nickte. Pilatre hatte Recht. Dieser Tag war ein guter Tag. Ngaai, der große Schöpfer wollte, dass ich lebe. Trotzdem konnte es nicht schaden, einige hässliche Erinnerungen mit einem erlesenen Wein hinunter zu spülen. Mit wenigen Zügen leerte er sein Glas und verlangte nach mehr.
Kerim kam um den Tisch. Er hatte eine alte Frau aus seinem Dorf dabei. »Das ist Fetiisele! Sie will dir und dem Ambaasa aus der Hand lesen!« Ohne Wabos Antwort abzuwarten, zog er einen Stuhl für die Alte heran.
Sie setzte sich und griff nach Ngaabas Hand. Dabei lachte sie ihn aus ihrem zahnlosen Mund an. Wabo ergab sich seinem Schicksal. Während die Alte sich in die Linien seiner Handinnenfläche vertiefte, kippte er sich den nächsten Kelch Wein hinter die Binde. »Und, erhabene Mutter, was sagt euch meine Hand?«
Die Fetiisele brummte vor sich hin und strich über die Handlinien, als wollte sie sie glatt bügeln.
Wabo setzte gerade wieder den Kelch an seine Lippen, als die Alte plötzlich aufschrie. Er verschluckte sich vor Schreck. Hustend und prustend riss er seine Hand weg und stellte den Kelch ab. Schließlich wischte er sich über den Mund. Ärgerlich schaute er zu der Alten.
Sämtliche Farbe war aus Fetiiseles Gesicht gewichen. Ihr Körper zitterte und ihre wässrigen Augen schienen durch Wabo hindurch zu schauen. Sie war in einen Singsang unverständlicher Worte verfallen.
Wabo zog am Ärmel von Kerim. »Hey, Kerim! Was sagt sie da? Ich verstehe kein Wort!« Seine Zunge fühlte sich schwer an. Offensichtlich hatte er zu schnell zu viel getrunken. Daher bemerkte er auch nicht, dass Kerim leichenblass geworden war. »Du wirst lange leben und viele Kinder haben!«, rief Kerim ihm zu. Dann zerrte er die Alte von dem Stuhl und verschwand mit ihr in die Dunkelheit außerhalb des Feuers.
»Habt ihr gehört?« Wabo schlug mit der Faust auf den Tisch. »Viele Kinder! Das ist gut! Dann muss ich ja uralt werden, um das noch zu schaffen!« Er lachte. Die Leute am Tisch lachten mit ihm. Jemand goss Wein nach. Wabo hob seinen Becher. »Meinst du, ich kann dich noch einholen, Pilatre?« Jetzt krümmte er sich vor Lachen. Der Kelch in seiner Hand schwankte und der rote Wein schwappte über seine Brust. »Was meinst du, mein Freund?«
Aber Pilatre konnte ihn nicht hören. Der Kaiser hatte den Tisch verlassen, noch bevor die Alte begann, Wabo aus der Hand zu lesen. Ein Diener hatte ihm mitgeteilt, dass Boten aus Wimereux-à-l’Hauteur vor seinem Zelt warteten. Und während der Kaiser sich die schlechten Nachrichten anhörte, stand Kerim mit Fetiisele unter einem Mbuyubaum. Wild gestikulierend redete er auf sie ein. »Nein, du wirst es Ngaaba nicht sagen! Wenn er sowieso sterben muss, spielt es keine Rolle, ob er vorher weiß, wann und wie er umkommen wird!«
***
Wimereux-à-l’Hauteur
Tala und Nabuu standen Rücken an Rücken. Die Meute hatte sie unter die Palisadenaufbauten gedrängt. Sie waren zu siebt. Nabuu beobachtete die drei, die mit gezückten Messern vor ihm standen: Ein kleiner Kerl von gedrungener Gestalt; sein Schädel war kahl geschoren und er trug ein langes schwarzes Gewand mit Kapuze. Eine junge Frau in Talas Alter; ihre Haare waren schlohweiß und standen zu kleinen Spitzen gezwirbelt vom Kopf ab. Sie hatte ein dunkles Tuch um ihre Brust gewickelt und trug einen kurzen Rock aus hellbraunem Leder. Neben ihr grinste der Kerl mit der Zahnlücke und den roten Zöpfen.
»Was sind das für Leute?«, flüsterte
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