VT03 - Tod in den Wolken
Vogel auf einer der Plattformen direkt vor einem Futterhaufen. Der Witveer krächzte und schaufelte sofort Früchte und Gemüse in seinen krummen Schnabel.
Zwei kräftige Männer griffen sich die Taue, die am Hals des Vogels hingen, und machten ihn an mannshohen Pflöcken fest.
Der Lenker warf eine Strickleiter nach unten. Während er hinab kletterte, warnte er Nabuu: »Bleib wo du bist! Folge mir erst, wenn ich dir ein Zeichen gebe!«
Der junge Krieger nickte stumm. So viel wie in den letzten Minuten hatte der Mann während der ganzen Reise nicht geredet. Auf alle Fragen, die Nabuu ihm stellte, hatte er nur ein stummes Nicken, Kopfschütteln oder gar keine Antwort erhalten.
Jetzt sprang der Lenker von der letzten Sprosse und wurde von fünf bewaffneten Männern umringt. Sie trugen knielange blaue Hosen, weiße Hemden und blaue Jacken mit goldenen Knöpfen. Die Rüschen der Hemden quollen zwischen den Rändern der Jacke hervor. Aber noch eigenartiger waren ihre weißen Perücken, die allesamt hinten einen Zopf hatten, der mit einem schwarzen Band zusammengebunden war.
»Entführt?«, rief einer von ihnen entsetzt. Dunkle Gesichter reckten sich zu Nabuu empor. Einer der Männer hob drohend seinen Speer. Der Lenker hob beschwichtigend die Arme. Nabuu konnte nicht verstehen, was er sagte. Aber seine Rede löste emsiges Gewusel aus. Die Wächter stoben auseinander und liefen in verschiedene Richtungen davon. Nur einer blieb beim Lenker: ein breitschultriger Kerl mit kantigem Gesicht. Anscheinend hatte er das Kommando. Statt eines Speeres hielt er eine Armbrust in den Händen, die er jetzt auf Nabuu richtete. »Komm runter! Aber langsam!«
Was um alles in der Welt hatte der Lenker erzählt? Nabuu erhob sich widerwillig. Langsamer als notwendig, kletterte er nach unten. Seinen Speer mit der langen gebogenen Goldspitze ließ er vorsichtshalber im Flugkasten. Kaum hatten seine Füße den Boden berührt, bohrte sich die Bolzenspitze der Armbrust schmerzhaft in seinen Rücken. »Was soll das?«, knurrte er.
»Dreh er sich langsam um!« Der Bolzen löste sich von seiner Haut.
Jetzt, aus der Nähe, sah Nabuu, dass der Mann mit der Armbrust schon älter war. Unzählige Abzeichen hingen an seiner Jacke und ein graues Bärtchen unter seinem Kinn.
Neben ihm stand der Lenker. Bedauernd hob er die Hände. »Tut mir leid, Junge. Der Kommandant glaubt, ihr habt die Gruh beauftragt, die Prinzessin zu entführen.«
Nabuu starrte ungläubig von einem zum anderen. »Seid ihr verrückt geworden? Schaut euch das Wesen erst einmal an, bevor ihr solch wilde Behauptungen aufstellt!«, rief er wütend.
Im Nu scharten sich ein Dutzend Soldaten um Nabuu und den Kommandanten. Der Spitzbart trat einen Schritt nach vorn. Dunkle Augen stachen aus seinem Gesicht. »Er redet nur, wenn er gefragt wird! Nehmt ihm sein Messer ab!«
Ein junger Soldat machte sich an Nabuus Gürtel zu schaffen.
Statt Angst kroch Wut durch den Körper des Kilmaliers. »Finger weg von meinem Wapti!«, knurrte er. Seine Hand legte sich schützend auf das Messer.
Der junge Soldat wich zurück.
Die Backenknochen des Kommandanten tanzten unter der Gesichtshaut auf und nieder.
Unbeirrt begegnete Nabuu seinem finsteren Blick. »Ich bin freiwillig hierher gekommen, nicht als Gefangener! Ich will mit Prinzessin Antoinette sprechen! Sofort!«
Überrascht hob der Lenker seinen Kopf. Nabuu glaubte so etwas wie Anerkennung in seinem Blick zu lesen.
Der Kommandant blähte seine Backen. »Was erlaubt er sich! Schon allein der Wunsch ist ein Verbrechen! Schafft ihn in das Verließ!«
Nabuu spürte einen dumpfen Schlag, dem ein brennender Schmerz am Hinterkopf folgte. Bevor ihm eine Ohnmacht die Sinne raubte, sah er für einen kurzen Augenblick das spöttische Lächeln des Kommandanten.
***
»Was soll das sein? Haben wir nicht gesagt, die Gewänder der Richterin wollen wir haben? Haben wir das nicht deutlich gesagt?« Prinzessin Antoinette de Rozier fegte die rote Samtrobe von ihrem Bett. Mit Riesenschritten durchquerte sie ihr Schlafgemach. Auf ihren Weg zu dem schweren Schrank aus Teakholz wischte sie rechts und links Vasen, Zierrat und Kristallkrüge von den Tischen.
Ihre kleine Dienerin legte die Hände vor das Gesicht und schluchzte.
Die Prinzessin zerrte an goldenen Beschlägen und riss die Schranktüren auf. »Hör sie mit dem Plärren auf und komm sie hierher! Vite, vite!«, keifte sie ihre Dienerin an.
Das Mädchen nahm langsam die Hände vom Gesicht. Sie
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