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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Autoren: Jo Zybell
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die das Geld floss, für dessen Strom sie wie gesagt seit Jahren sorgte.
    Heute wollte der Außenminister ihr demonstrieren, wie ernst man in Tansania den Umwelt- und Artenschutz nahm, und was der Event-Tourismus des Landes an Höhepunkten zu bieten hatte.
    Eine Botschaft des Chefwildhüters machte flüsternd die Runde: Man solle aufhören zu reden, sich nur noch mit Zeichen verständigen und darauf achten, keine Zweige zu zertreten. Offensichtlich war die Lichtung nahe.
    Abgesehen vom Begleitschutz war Charles Poronyoma der Einzige, der eine Uniform trug. Hochgeschnürte Stiefel, Hemd und Hose in Tarnfarben, ein schwarzes Barett und an der Hüfte seine fabrikneue Walther P44. Bodo und Fred hatten sie ihm besorgt. Über dem Herzen, in der Hemdtasche trug er den Gorillahoden in einer Plastiktüte. Erst kurz bevor sein Helikopter in den Bergwald gestartet war, hatte er ihn in seinem Büro aus dem Gefrierfach geholt. Noch stank er nicht so stark, dass es auffiel.
    Sie erreichten den Rand der Lichtung. Nebelschwaden hingen wie Schleierfetzen in den Büschen und über dem Gras. Charles Poronyoma schielte auf die Uhr. Sie waren gut in der Zeit. Er gab der Ministerin aus Deutschland zu verstehen, sich auf einen vorbereiteten Hocker im Gebüsch am Rande der Lichtung zu setzen. Unauffällig bildeten fünf Mann des Geleitschutzes einen Ring um sie.
    Nur zwei Männer warfen ihr wachsames Auge auf den Außenminister: ein Offizier, der Charles Poronyoma seit seiner Jugend ergeben war, und Charles Poronyoma selbst. Bis vor drei Jahren war er der persönliche Leibwächter des Außenministers gewesen. Mehr als einmal hatte der ihm das Leben gerettet. Und weil der Außenminister ein dankbarer Mann war, hatte er Poronyoma irgendwann zu seinem Stellvertreter gemacht.
    Er tat Charles Poronyoma ein wenig Leid, wie gesagt. Doch was sollte er tun? Hatte das Schicksal nicht mit jedem Menschen seinen unabänderlichen Plan? Was ihn von dem Außenminister unterschied, war nur, dass er diesen Plan kannte.
    Eine halbe Stunde etwa warteten sie, dann erschienen die ersten Tiere. Atemlose Stille herrschte. Charles Poronyoma reichte der Ministerin aus Deutschland einen Feldstecher. Auch sein Außenminister und er selbst setzten die Gläser an die Augen. Sieben Gorillas zählte Charles Poronyoma hinter den Nebelschleiern. Eifrig sammelten sie Nüsse und Früchte ein und fraßen sie an Ort und Stelle. Sie wirkten friedlich und furchtlos.
    Charles Poronyoma griff in die Hosentasche, aktivierte sein Handy und schickte eine vorbereitete SMS los. Danach schaltete er sein Gerät wieder aus. Das hatte er ein paar Mal geübt in den letzten Tagen.
    Er wusste genau, dass der Außenminister sein Gerät niemals ausstellte, wenn man es ihm nicht ausdrücklich empfahl. An diesem Abend hatte Charles Poronyoma darauf verzichtet, seinen Chef auf sein eingeschaltetes Handy aufmerksam zu machen.
    Die Minuten krochen dahin, der Staatssekretär filmte, die Ministerin bestaunte die schönen Tiere, die Dämmerung fiel auf die Lichtung – und plötzlich dudelte ein Handy los.
    Die Gestalt des Außenministers straffte sich, er setzte das Glas ab und griff in die Hosentasche. Irgendjemand räusperte sich, die Ministerin schnitt eine verdutzte Miene. Auf der anderen Seite der Lichtung huschten die Gorillas zurück in den Wald.
    Der Außenminister zog sein Gerät aus der Tasche und entfernte sich von den anderen. Die Sache war ihm sehr peinlich. Nur Charles Poronyoma blieb als bewaffneter Geleitschutz in seiner Nähe. Fünfzig oder sechzig Schritte entfernt sah der Außenminister nach, wer ihn angerufen hatte. Poronyoma hoffte inbrünstig, dass er das nie erfahren würde. Sein Herz trommelte ihm gegen das Brustbein.
    »Warum erinnert mich denn niemand daran, mein Handy-abzuschalten?« Diesmal traf ein tadelnder Blick seinen Stellvertreter. Charles Poronyoma tat verlegen.
    Der Außenminister hantierte ein Weilchen mit seinem Telefon. Als er nicht herausfinden konnte, wer ihn angerufen hatte, und dass derjenige nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hatte, schimpfte er im Flüsterton. Sie gingen zurück zu den anderen, Charles Poronyoma lief hinter seinem Chef.
    Und dann geschah es: Von einer Sekunde auf die andere stand er vor ihnen: ein Silberrücken, so groß, wie Charles Poronyoma noch nie einen gesehen hatte. Sein Gesichtsschädel war eine vernarbte Fratze. Er richtete sich auf, grunzte böse und griff an.
    Der Außenminister schrie panisch und wollte zurückweichen, doch
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